Tag 16 des Corona-Notstandes

Gleichförmig kann auch fast rund sein

Gestern wurde irgendwie nebenbei, so als wäre es absolut nebensächlich, bekannt gegeben, dass die Ausgangsbeschränkungen mindestens noch bis zum 19. April weitergeführt werden (müssen). Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder haben sich gestern darauf verständigt, kaum jemand schien sich dafür zu interessieren. Bei den Meisten löste es keine Reaktion aus, drauf angesprochen, lediglich ein Schulterzucken. Ich merke, selbst unter den sozial nicht Abgeschotteten, weil noch täglich arbeitend, entwickelt sich ein wachsendes Desinteresse, die zu erwartenden drastischen sozialen Folgen spielen überhaupt keine Rolle. Die Stimmung ist eher resignierend, ‚es kommt eben wie es kommt, wir machen, was wir sollen‘ – ich empfinde es nicht als angenehm.

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Die Kanzlerin erschien diesmal persönlich auf dem Bildschirm, wie immer in der Kulisse der Augsburger Puppenkiste, es wurde nicht wieder im Nebensatz von Helge Braun verkündet. Ergänzend wurden einige Ministerpräsidenten ins Bild gesetzt. Sie taten dies mit der ihnen eigenen, hinlänglich bekannten, professionell antrainierten Empathie in der Stimme. Allerdings einer, der sonst bei zentralen Themen selten ins Bild kommt oder darf, trat mit der Pose eines römischen Feldherren auf, der seine Legionen über die Entscheidung des Cäsar informiert, um sie dann gnadenlos in den Kampf zu schicken. Das auffällige neue Outfit wurde dagegen gekonnt in Szene gesetzt. Vielleicht können ihn die Berater darauf hinweisen, dass dies in Zeiten verordneter allgemeiner Bescheidenheit so gut nicht ankommt? Originalton eines Menschen aus einem süddeutschen Bundesland vor dem großen Televisor: „Ist das nicht der, der geheult hat, als er nicht gewählt worden ist?“ Ja, das ist er, auch wenn das „welterschütternde unverzeihliche Ereignis“ niemand mehr interessiert und auch im Vergleich zur aktuellen Lage der berühmte Fliegen- besser noch Mückenschiss der Geschichte war.

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Thema Geschichte: Schon tauchen die ersten Trittbrettfahrer auf.

Heute morgen auf dem Nachhauseweg teilte man im HR mit, dass Herr Schellnhuber fordert, die Bereitschaft der Deutschen zum Verzicht in Angesicht von Covid-19 gleich „für das Klima“ weiter zu nutzen. Schellhuber ist der Mann, dem die Kanzlerin in Klimafragen, warum auch immer, ihr Ohr leiht. Ich nenne es Chuzpe, wenn Schellnhuber jetzt feststellt, „es hat sich gezeigt, dass die Deutschen Verzicht üben können, dass sollten wir für’s Klima gleich weiter ausnutzen“. Ich hätte nicht gedacht, dass die, die vor autoritärem Gehabe des Staates gewarnt haben, so schnell Recht bekommen würden.

Nein, Herr Schellhuber und gleich auch an die Politik gerichtet: Die Bereitschaft der Menschen in einer absoluten Notlage temporär quasi freiwillig auf verfassungsmäßig angestammte Grundrechte zu verzichten, hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, dass daraus ein Dauerzustand im Sinne einer Selbstbedienung des Staates werden könnte und dürfte.

Hier muss man sagen: Wehret den Anfängen und haltet die Augen offen.

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Die Medien haben es schwer, das Thema Corona ist ausgelutscht und Neues gibt es kaum. Trotzdem, ein bisschen Mühe kann man sich schon geben – gerade jetzt.

Ich entfalte die regionale Tageszeitung „Freies Wort“ und lese auf der ersten Seite die in größten Lettern gehaltene Titelzeile:

„Corona-Toter in Sonneberg“.

Leute, Leute. Vielleicht gibt es Menschen, für die es wesentlich ist als erste Information zu lesen, dass in der Kleinstadt in Südthüringen ein alleinlebender Mann, der noch nicht zu den Alten gehörte, gestorben ist, bei dem man post mortem auch Covid-19 gefunden hat. Man weiss noch nicht einmal, ob der Mann durch oder mit Corona gestorben ist, aber die Menschen werden in Aufruhr versetzt, als ob weiland die Pest trotz des zugemauerten Stadttors in die Stadt eingebrochen ist und der Sensenmann in jedem Haus seine grausige Ernte hält.

Einige Seiten weiter in der Titelzeile:

„Der Kampf um die Beatmungsgeräte“

Eigentlich braucht man gar nicht weiterlesen, weil allein die Überschrift impliziert, dass ein unerbittlicher blutiger Nachbarschaftskampf um lebenswichtige medizinische Geräte eingesetzt hätte. Früher hätten wir gelernte Ostler noch frohgemut sagen können: „Ist doch nicht schlimm, dann lassen ich eben mir von meiner Oma im Westen – so man hatte – so’n Ding schicken“ und das Problem wäre geklärt gewesen. Heute hat die Oma selber keins…. „Schöne neue Welt“.

Liebe Leute in den Redaktionsstuben, solche Art von Journalismus ist in Krisenzeiten entbehrlich und das bekommt selbst BILD viel besser hin.

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So, die Sonne scheint von einem makellosen Himmel, auch wenn es noch kalt ist.

Ich gehe jetzt in meinen Garten, ich habe wichtige Dinge zu tun. Gestern Abend habe ich Depp vergessen die Fenster meines Frühbeets zu schließen, was an sich nicht schlimm wäre, wenn nicht meine selbstgezogenen Salat- und Kohlrabipflanzen nach dem heftigen Nachtfrost jetzt ziemlich belämmert am Boden liegen würden. Der Frost hat sie dahin gestreckt, das ist nicht schön, weil ich irgendwie mit meinen Pflanzen mitleide, aber immer noch besser, als wenn Corona einen von Euch durchgeschüttelt hätte.

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Auch wenn die Tage mehr oder weniger gleichförmig vor sich hin „trotteln“, die Dynamik scheint raus , aber es läuft trotzdem noch irgendwie rund.

Bleibt hübsch gesund, haltet Abstand wo es geht …. und so ihr wollt.

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Der Kampf gegen den Virus …

Vom Kräftchen zur Kraft?

Kräfte zu haben ist in einem Kampf etwas sehr Nützliches, keine oder nur geringe Fähigkeiten zu haben und doch nicht unterliegen zu wollen, erfordert einen besonnenen Einsatz der eigenen Kräfte.

Ein wohl typisches Beispiel zeigen die historischen Berichte über die Schlacht bei den Thermopylen, nach den Überlieferungen am 11. August 480 v. Chr. zwischen den Griechen und den Persern. Es gelang den Griechen durch eine gute Taktik und eine Bündelung ihrer sehr geringen Kräfte das absolut überlegene persische Heer zumindest eine Weile aufzuhalten.

Ich denke, Ähnliches können und müssen wir heute im Kampf gegen Covid-19 erreichen, wir müssen es erreichen und können es als Gesellschaft auch erwarten.

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Die Mikrobiologen und Epidemiologen sind eine kleine Gruppe von Medizinern und Naturwissenschaftlern, die im Vergleich zu uns einfachen Ärzten meist ein vergleichsweise beschauliches Dasein führen, was ihnen die Möglichkeit gibt stabil wissenschaftlich arbeiten zu können. Aktuell sehen wir das bei einer kleinen Untergruppe, den Kollegen, die sich schwerpunktmäßig mit Viren beschäftigen, den Virologen.

Viele Virologen schaffen es in ihrem gesamten Berufsleben nicht einmal ins Licht der Öffentlichkeit und der Kameras zu kommen. Ich kenne Kollegen, die das auch nicht wollen und dankbar sind, dass sie in „aller Ruhe“, dabei fleißig wie die Bienchen wissenschaftlich arbeiten können und sie sind froh ab und zu eine Arbeit in einer angesehen wissenschaftlichen Zeitschrift publizieren zu können.

Ich verstehe das und war in meinem Berufsleben gelegentlich hier und dort sogar neidisch, wenn ich vom medizinischen Alltag überrollt wurde und an einem Thema „nicht Dranbleiben konnte“.

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Gnadenlos hat nun Corona unsere wenigen Virologen ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt, nicht jeder ist dem Licht der Scheinwerfer gewachsen, muss es auch nicht.

Das ist aber nicht mein Thema.

Die Kapazität unserer wissenschaftlichen Mikrobiologen und Epidemiologen ist begrenzt. Wir haben das RKI, quasi die staatliche Überstruktur. Dann gibt es Kapazitäten in Wissenschaftlichen Instituten, etwa bei Helmholtz. Universitäten, die etwas „auf sich halten“, führen virologische Institute. Das war es aber auch schon.

Die virologisch tätigen Kollegen, die ich persönlich kenne, sind sehr intelligente und strukturierte Menschen, was wohl eine conditio sine quo non für erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit ist.

Wir haben also ein nur kleines, aber intelligentes Potential an Fachleuten zur Verteidigung bei unserer „Schlacht bei den Thermopylen“ gegen den angreifenden Corona zur Verfügung.

Um so mehr irritiert es mich, wenn ich das Gefühl habe, dass zwischen dem RKI und den peripher tätigen Kollegen wenig zusammen geht, auch zwischen den virologischen Ordinarien wenig zusammen läuft, ja, man sich sogar, so es nur Gelegenheit gibt, gegenseitig ans Knie pinkelt. Der Eine freut sich, wenn er – ohne die „Kontrahenten“ – in ‚Nature‘ veröffentlichen kann, der Andere klagt im Fernsehen das RKI des Versagens an, was stimmen mag oder auch nicht, ich kann es nicht beurteilen. Auf jeden Fall ergibt es insgesamt ein jämmerliches Bild.

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Leute, die Pandemie ist nicht dazu da, dass Ihr Euch persönlich profiliert. Die Gesellschaft hat ein Recht darauf, dass Ihr Euch zusammenschließt, Eure Kräfte bündelt und gegen das überlegene Heer nicht der Perser, sondern des Corona antretet.

Wo Euer Schlachtfeld genau ist, sein kann, sein muss, das müsst Ihr entscheiden.

Vergesst für ein paar Monate Eure erkennbaren persönlichen Vorbehalte, arbeitet zusammen, klärt Eure Ziele und macht Euch – verdammt nochmal – endlich gemeinsam an die Arbeit.

Jeder Einzelne von Euch ist nur ein Kräftchen, macht daraus eine Kraft!

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Ein Desaster ….

Corona fragt nicht

Für das materiell und personell gut aufgestellte Ernst von Bergmann Klinikum in Potsdam ist dies ein Desaster.

https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/7-tote-potsdamer-klinik-kaempft-gegen-ploetzlichen-corona-ausbruch-69766974.bild.html

Ich beneide die Kollegen in Potsdam, die eine gute Arbeit machen um dieses Desaster nicht. Es zeigt aber auch, wie hoch die Dunkelziffer ist und dass wir ganz am Anfang des Verständnisses des Virus sind.

Ich drücke Euch alle Daumen, speziell auch den Kollegen, die ich persönlich kenne, dass ihr das schnell in den Griff bekommt.

Ich sollte doch öfter einmal nachdenken …

Manchmal ist nicht alles gut….

Es ist wohl menschlich verständlich, dass man mit dem was man tut zufrieden ist und die eigene Wichtigkeit nur ungern und mit Widerstand in Frage stellt. Natürlich geht es mir auch so und es gibt schon Tage, da würde ich mir gern selbst auf die Schulter klopfen, am besten auf beide gleichzeitig.

Nur, wie ordne ich es ein, wenn ich aus einer nicht unbedeutenden Kreisstadt mit einem großen Klinikum höre, dass seit einigen Wochen die Bestatter mangels Arbeit schon an trockenen Brotkanten kauen, mit denen sie sonst mit Kindern oder Enkeln die Enten auf dem Teich füttern würden?

Sicher könnte man sich als Mediziner jetzt auf die Brust schlagen und strahlend in die Runde blicken. „Seht ihr, was wir vermögen!“

Nur, die Sache hat einen tiefschwarzen Pferdefuss:

Den Bestattern mangelt es an Arbeit, seitdem das Klinikum auf Notbetrieb umgestellt ist und in Hab-acht-Stellung für die möglichen und hoffentlich nicht zu häufig eintretenden Corona-Fälle bereitsteht?

Also, das Klinikum hat wenig Arbeit und in der Region haben die Bestatter gleichzeitig wenig zu tun. Mir gruselt es, wenn ich auch nur fiktiv über die Ursachen nachdenke.

Ich hoffe, es ist nur eine lokale Momentaufnahme, ich muss mich erkundigen.

Zum Glück(?) muss Oma Anna selig das Desaster à la 2020 nicht mehr miterleben. Wäre sie noch unter uns, würde sie wahrscheinlich jetzt sagen:

„Siehst Du Junge, trotz ärztlicher Kunst genesen manche Menschen.“

‚Junge‘ deshalb, weil ich sie sich Zeit ihres Lebens meinen Namen nicht merken konnte oder wollte. So war sie eben.

Tag 15 des Corona-Notstandes

Was entsteht sind Zweifel

Unser jüngster Enkel – 6 Jahre – ist von einem bemerkenswerten und für mich inzwischen beneidenswerten Bewegungsdrang, welcher positiv ist, weil er ihn gut steuern kann. Zum Glück wohnen wir im ländlichen Bereich und da gibt es Auslauf genug, ohne dass man das bestehende Kontaktreduzierungsgebot verletzt.

Jetzt ohne Kindergarten kommt er endlich in die Gelegenheit die Massen seines vorhandenen Spielzeugs durchzuprobieren, auch hier regiert der Überfluss. Das heisst, Liam könnte alles durchprobieren, er bleibt aber meist bei seinen ‚Beyblades‘ hängen, die er „hoch und runter“ quält.

Beyblades sind diese bunten Kreisel aus Asien, die den Kindern unter dem Aspekt „Kampf“ aufs Auge gedrückt werden, Beyblade A „kämpft“ in der „Arena“ gegen Beyblade B. Der Gewinner ist der, der sich als Letzter noch bewegt, irgendwie.

Beobachtet man die Beyblades merkt man, dass sie zwanglos den Gesetzen der Physik folgen. Sie werden mit einem ‚Starter‘ schnell in Umdrehung versetzt und wenn sie nicht gestört werden trudeln sie, manchmal nach Minuten, langsam wieder aus. „Kämpfen“ sie untereinander stören die Kollisionen den normalen physikalischen Ablauf und sie werden entweder aus der Bahn geworfen, im extremen Fall sogar in ihre Einzelteile zerlegt, die man allerdings und zum Glück mit wenigen Handgriffen wieder zusammen fügen kann. Und dann geht es „auf ein Neues“, immer in der Hoffnung den Sieg davon zu tragen.

Das Verhalten der Beyblades gemahnt mich ganz stark an unsere aktuelle gesellschaftliche Situation. Nehmen wir nur die Zeit nach Ende des „Kalten Krieges“.

Mit dem selbstverschuldeten Zusammenbruch des Ost-Blocks war das wirtschaftliche System des Westen – wie mit dem Starter – richtig auf Touren gebracht worden. Das System schien effektiv, grenzenlos, ganz schnell ergab sich der Eindruck – wir sind alternativlos.

Das System expandierte immer mehr, man nennt es Globalisierung und es schien nichts zu geben, was diesen Prozess des „immer mehr, immer weiter, immer schneller“ hätte aufhalten können – und sollen. Warum auch, da ja irgendwie jeder davon mehr oder weniger stark profitierte. Der Finanzjongleur, der wie Dagobert Duck immer mehr Millionen und Milliarden anhäufte, war genauso Profiteur, wie selbst die Kinder in den Entwicklungsländern, die praktisch mit ihren Händen „die seltenen Erden“ für unsere Elektronik aus der Erde kratzen. Es klingt zynisch, aber wenn die Kinderarbeit die Alternative zum schieren Verhungern ist, dann ist selbst das ein Fortschritt und eine Form von Teilhabe, wenn auch eine durch und durch unethische.

Das System drehte sich ungestört, wie Liam’s Beyblade, nach dem Start gleichmäßig vor sich hin, die Reichen wurden immer reicher und unter den Armen verhungerten Weniger als vorher. Alles schien irgendwie gut und logisch, zumindest für die, die keine Not litten. Einen zweiten Spieler, der dieses System ernsthaft hätte stören können, gab es nicht, Ansätze wurden rechtzeitig und gründlich zerstört.

Nun ist mit einem kleinen Virus praktisch über Nacht doch noch ein weiterer Spieler in der Arena aufgetaucht. Ein Spieler, den wir nicht erwartet hatten, niemand hatte in auf der Rolle. Man sieht ihn nicht, riecht, spürt, schmeckt ihn nicht. Eigentlich dürfte er nicht existent sein. Aber er ist da.

Dieses kleine Ding hat unsere schöne ruhige Beyblade-Arena heftigst und völlig unvorbereitet durcheinander gewirbelt. Obwohl man den Spieler nicht sieht, hat er heftigste Kollisionen ausgelöst. Das bisher ganz glatt laufende und beständig-verläßlich nur noch um sich selbst drehende System ist ins Schlingern geraten, hat die Orientierung verloren und ich habe das Gefühl, es braucht nur noch ein paar Kollisionen, dann besteht die Gefahr, dass es sich selbst zerlegt.

Dann liegen – wie in Liam’s Beyblade-Arena – die Einzelteile wüst durcheinander und nichts dreht sich mehr. Ich befürchte sehr, es wird nicht reichen, die Einzelteile mit ein paar einfachen Handgriffen schnell wieder zusammen fügen zu wollen. Wahrscheinlich wird es nicht funktionieren den Status „vor Corona“ einfach wieder herzustellen, so als sei nichts geschehen.

Irgendwie habe ich das Gefühl, unser ganzes, kompliziertes, globalisiertes System wird nach Corona keine einfache Reparatur brauchen, sondern einen Druck auf den Reset-Knopf. Es muss, wie der Beyblade, völlig neu gestartet werden.

„Alles – oder zumindest Vieles – auf Null und dann neu starten.“

Wie das aussieht, was danach kommt? Ich weiss es nicht!

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Ich wünsche Euch allen einen guten Tag und und bleibt gesund, an Körper und Seele.

Rainer

Tag 14 des Corona-Notstandes

Seltsame Gefühle

Irgendwie beschleichen mich seltsame Gefühle. Ich kann nicht einmal beschreiben, was es genau ist, vielleicht am Besten: Ich fühle mich fremd in dieser Welt, die ich doch seit Jahrzehnten intensiv kenne und zu verstehen versucht habe.

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Es sind unbekannte Empfindungen, wenn ich registriere, wie sich das Gesundheitssystem wandelt und auch ich selbst mich verändere. Wenn mir Kollegen über eigene gesundheitliche Probleme oder die von Angehörigen berichten, rattert mein Kopfcomputer, auf den ich mich sonst ganz gut verlassen kann, zuerst in Richtung „Corona“. Ich ertappe mich dabei, dass sich dann so eine Art Laissez-faire breitmacht: „Na ja, kein Corona …“ und ich mich fast zwingen muss, andere Dinge richtig ernst zu nehmen.

Eine Kollegin erzählt, dass Hausärzte wo es nur geht selbst bei langjährig angestammten Patienten, die sie teils seit Jahrzehnten kennen, Hausbesuche vermeiden und dann den Rat geben: „Ruft doch gleich die 112 an.“ Ich versuche mir vorzustellen, wie das auf eine gut 80 Jährige wirken mag, wenn plötzlich statt der bekannten Hausärztin, ein Team von Rettungssanitätern und Notarzt in der Wohnung herumwuselt, die alte Dame eingeladen, ins regionale Krankenhaus verfrachtet und dort erst einmal „durchgecheckt“ wird?

Ein Kollege erzählt mir, dass das regionale Krankenhaus, welches derzeit berechtigterweise Betten für Corona vorhält, aber keinesfalls ausgelastet ist, schon „die Zähne hebt“, wenn nur eine Höherbetagte (81) wegen einer nichtinfektiösen, aber akuten Erkrankung angekündigt wird.

Offenbar bin ich nicht der Einzige, den seltsame Gefühle beschleichen.

Das mediale Trommelfeuer, dem man sich praktisch nicht entziehen kann, mag eine der Quellen dafür sein, wir aber müssen versuchen einen klaren Kopf für das „normale“ Leben und seine Tücken zu behalten. Denn es ist einfach so, statisch gesehen versterben pro Tag in Deutschland zwischen 2 000 und 3 000 Menschen und am Ende des Jahres werden wir wahrscheinlich feststellen, dass nur ein Teil, ich hoffe ein kleiner Teil davon, Covid-19-Betroffene sein werden.

Wobei, auch das fühlt sich nicht richtig an, ist doch der Tod fast nie angenehm.

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Es ist an der Zeit Besserung zu geloben!

Heute morgen habe ich versucht den Beitrag von Thomas Fischer im SPIEGEL zu lesen. Gut geschrieben, einige interessante Aspekte, aber schlichtweg zu lang. ich konnte mich „in einem Ritt“ nicht bis zum Ende konzentrieren und nochmals zu beginnen, habe ich schlichtweg keine Lust, was nur bedingt an dem Beitrag liegt. 😂

https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/corona-beschraenkungen-endlich-frei-kolumne-a-d9c4d6a1-4f48-4449-84d7-76d568832efe

Mir ist bewusst, dass ich in meinen Beiträgen oft zu Weitschweifigkeit neige und damit die Geduld und das momentane Aufnahmevermögen meiner damit ‚potentiellen‘ Leser überfordere. Ich schließe das daraus, dass nicht wenige Rückäußerungen von Euch darauf hindeuten, dass es zu anstrengend war bis zur „Pointe“ zu lesen.

An meinem Stil muss ich also feilen.

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Interessant, bis vor 10 Minuten war hier strahlender Sonnenschein, blauer Himmel und ich hatte gute Laune. In den letzten Minuten hat es sich zugezogen und meine Stimmung rauscht gefühlt, wie der Schnellfahrstuhl aus dem 50. Stock, in die Tiefe.

Ich wünsche Euch einen coronafreien und angenehmen Tag.

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Update: Was kann ich tun?

Junge Leute …

Vor einigen Tagen habe ich einige Ratschläge für junge Menschen in Zeiten Corona gegeben.

Dazu eine Ergänzung oder besser Bestätigung.

Ich hatte den Rat gegeben: Sport ja, zum Wohlfühlen, aber keinen Sport unter einem Leistungsaspekt.

Dieser Rat, eher aus dem Bauch heraus gegeben, kann inzwischen mit international veröffentlichten Beobachtungen untersetzt werden.

Junge Leute werden nicht selten zusätzlich auch durch viral bedingte Schäden des Herzmuskels limitiert.

Bei akuten Schädigungen des Herzmuskels sind starke Belastungen des Herz-Kreislauf-System kontraindiziert und können ggf. sogar tödlich enden. Das Problem besteht darin, dass der Virus gerade in den ersten Tagen der Infektion schon aktiv ist, ohne dass wir bereits „richtige“ Krankheitssymptome haben. Also, wir können schon krank sein und der Virus kann sein Unwesen treiben, wenn wir uns noch gesund wähnen und meinetwegen wie bisher aus Leibeskräften trainieren.

Also mein Rat an Alle, auch wenn Sie sich gesund fühlen:

Vermeidet jede Form von starken körperlichen Belastungen, die über das normale Mass hinausgehen auch wenn ihr Euch (noch) nicht krank fühlt. Manchmal wird man Belastungen nicht vermeiden können, aber körperliches Training unter einem Leistungsaspekt muss in Zeiten Corona nicht sein und ist ausgesprochen leichtsinnig.

Nehmt bitte Eure Eigenverantwortung wahr, dabei können wir nicht helfen, nur beraten.

Alles Vertrauen oder was … ?

Das Attentat von Hanau

In Krisenzeiten ist gegenseitiges Vertrauen wichtig, im Kleinen, aber auch im Hinblick auf die, die gerade „das Sagen“ haben, also die Politik. Vertrauen bedingt gegenseitige Ehrlichkeit, wenngleich, es gibt auch Menschen die werden gern belogen und vertrauen trotzdem noch, das nennt man dann einfältig.

Wir erinnern uns wahrscheinlich alle noch an das furchtbare Attentat von Hanau. Am 19. Februar 2020 erschoss der Täter insgesamt 10 Menschen, bevor er sich selbst tötete. Ein furchtbares Ereignis, welches alle mittelbar und unmittelbar Betroffenen für lange Zeit prägen wird.

Noch unter dem Eindruck der Ermordung von Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten, waren Politik und Medien schnell dabei die Tat als „eindeutig rechtsextrem und rassistisch“ einzuordnen. Eine große Öffentlichkeit wurde organisiert, Demonstrationen, alles unter dem Aspekt: „Rechts und rassistisch“.

Stimmen, die in Kenntnis der bekannten schweren psychiatrischen Erkrankung des Täters, vor einer voreiligen rassistischen Einordnung warnten, wurden ignoriert oder medial niederkartätscht.

Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte.

Jetzt liegt die forensisch-psychiatrische Einschätzung des furchtbare Ereignisses vor:

Der Text ist nicht frei verfügbar, deshalb nur ein kleiner Auszug:

„Er ist schuldunfähig, denn krankheitsbedingt muss er die Tat mit zwingender Notwendigkeit durchführen; der schizophrene Wahn lässt ihm keine Wahl. Die Willenssteuerung ist aufgehoben, die Konzepte, zu denen das wahnhafte Denken sich durcharbeitet, sind im strikten Sinn alternativlos, und die Unrechtseinsicht in Wahnwelten verloren gegangen.“ 

….. „dass man mit einer gewissen Wahrheitsunlust die schizophrene Erkrankung nicht als entscheidenden Hintergrund der Taten benennen mag, sondern glaubt, diese seien durch Rassismus hinreichend begründet“. 

Zu Prof. Kröber googelt ihr bitte selbst. Er ist in meinen Augen eine absolut integre Persönlicheit.

Keinesfalls will ich tatsächliche Rassisten und Extremisten in Schutz nehmen, unabhängig welcher Couleur sie sind.

Aber, Wahrheit muss Wahrheit bleiben, auch wenn das Gegenteil gut ins allgemeine Klischee passen würde. In diesem Fall genau trifft es nun nicht zu.

Die Richtigstellung ist in Anbetracht des „schuldunfähigen Täters“, aber und vor allem seiner Opfer nicht zu umgehen und notwendig.

Die öffentliche Korrektur würde Vertrauen schaffen und Vertrauen ist in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation essentiell. Es zeigt von Größe einen Fehler einzugestehen.

Alles gesichert oder was … ?

Zu Zeiten Corona

Julia Klöckner wird nicht müde zu betonen: „Die Versorgung ist gesichert…“.

Mein Test, Montag, gegen 10.00 in einer thüringischen Kleinstadt.

Ein NORMA mit großem Parkplatz, welcher gut gefüllt ist, aber vor allem deshalb, weil sogar die Autos schon Abstand untereinander nehmen. Da wo sich sonst 4 Autos quetschen, stehen jetzt maximal 2, kein Auto will Corona bekommen.

Um den Unterstand mit den Einkaufswagen herum ein ziemliches Gewusel, es kostet Zeit unmittelbar dort die Gummihandschuhe anzuziehen, sich gegenseitig den Mundschutz anzulegen und dann erst gründlich den Griff zu desinfizieren. Erstaunlich wie viele Menschen den notwendigen Einkauf zum Familienausflug, gern auch mit Kindern und Enkeln, nutzen.

Im Markt dichtes Gedränge um die reichlich gefüllten Tische mit den „Sonderangeboten“, jeder greift gern mal zu, Jogginghosen werden genauso anprobiert wie Plastiklatschen für den Garten. Da man nicht weiss, ob man morgen überhaupt noch lebt, werden sogar die Billigschuhe für < 20€ ausgiebig getestet. Wenn schon sonst nichts los ist, soll wenigstens NORMA zum unvergesslichen Event werden.

Leute, wir leben im ländlichen Bereich, wir sind mit Raum und angenehmen Separierungsmöglichkeiten tausendmal besser dran als jeder Städter und Ihr Dussel drängelt Euch beim NORMA, irre.

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Julia Klöckner sagt: „Die Versorgung ist gesichert“. Im Prinzip hat sie recht, die Dinge die reichlicher vorhanden sind, sind allerdings die hochpreisigen Waren.

Beispiel Butter: Mich juckt es nicht, wenn ich für ein Stück Butter 2,40 € bezahle. Für die alleinerziehende Mutter und die Rentner mit Minirente ist es sicher ein Desaster wenn sie statt bisher 1,30 € jetzt 2,40 € bezahlen müssen. Das gilt übrigens quer durch die Regale genauso für andere Artikel des wirklichen täglichen Bedarfs. Wer gezielt kauft, kauft teuer.

Es ist die Frage, wer verdient da schon wieder am Elend der anderen?

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Des gemeinen Deutschen Lieblingsthema: Klopapier!

Kein einziges Blatt liegt im Regal, nicht mal der kleinste Schnipsel, weder mit noch ohne Geschmack. Keine Küchenrolle, kein Papiertaschentuch findet sich als Ersatz. Oma Anna selig hatte recht: „Geschissen wird immer.“ Die Ecke mit den Seifen, denen im Papier und denen in der Flasche, ist nicht ganz leer, aber immerhin sehr, sehr übersichtlich.

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Schnaps, Sekt und Wein in allen Variabilitäten und allen Preisklassen. Da findet sich keine einzige Lücke im ellenlangen Regal. Das kenne ich noch aus den letzten Tagen der verblichenen DDR, wenn es nichts mehr gab, aber Alkohol immer. Sollte es schon wieder soweit sein? An der Kasse gibt es Zigaretten und Kondome, für Abwechslung ist gesorgt.

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Die Kassiererin ist hinreichend durch Acryl geschützt, zum Glück. Lange wird das wacklige, provisorische Konstrukt sicher nicht halten, heute zumindest ist es besser als nichts. Zur Auflockerung frage ich nach Klopapier, sie beugt sich hinter ihrer Scheibe hervor und murmelt verschwörerisch: „Doktor, ich hebe Ihnen bei der nächsten Lieferung etwas auf.“

Auch das kenne ich aus früheren Zeiten, „Eine Hand wäscht die andere“. sogar ohne Seife.

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Draussen in der Sonne trifft man sich dann wieder zum ausgiebigen Plausch, pfeif auf Abstand es windet ein ganz klein wenig. Und Rentner mit Pappbechern mit ihrem Kaffee sieht man sonst auch eher nicht, da wird sogar der Mundschutz nach unten geschoben..

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Tag 13 des Corona-Notstandes …

Die Sendung der Ahnungslosen

Gestern Abend bei Anne Will hätte die Sendung einen neuen Titel verdient gehabt: „Die Sendung der Ahnungslosen“ oder im positiveren Ausdruck „Die Sendung der sich ahnungslos Gebenden“.

Faszinierend, das Herumgeeier nahm zum Teil direkt lustige Formen an, sodass der, der vielleicht schon 1 -2 Biere oder die, die vielleicht schon 2 – 3 Glas Rotwein zum Tatort getrunken hatten, das Gefühl bekommen konnten: Die haben es im Griff. es ist nichts als ein wackerer Spass.

Sie haben nichts im Griff.

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Bei heute strahlendem Sonnenschein steht der Ausbruch unseres Teil der Pandemie unmittelbar bevor und wir sind nicht vorbereitet.

Zugegeben, einiges ist passiert. Die Kliniken haben sich regional eingerichtet, ich höre etwa von einer großen Thüringer Klinik, dass sie „halb leer steht“ und die Flure mit ‚2 – 3‘ Corona-Patienten gefüllt sind. Alles was verschiebbar ist, wird geschoben, es kommen – zum Glück – noch keine C-Patienten in beängstigender Zahl.

Das sie kommen werden, ist sicher wie das Amen in der Kirche, aber wir „beten“, dass es nicht so bald passiert, denn wenn es heute oder morgen wäre, würden wir unweigerlich einen Großteils unseres Personals verlieren.

Das Problem: Es gibt, rund ein Vierteljahr nach Ausbruch der Pandemie, keine Schutzkleidung, um uns und unsere Mitarbeiter auch nur für wenige Tage hinreichend zu schützen!

Und dabei hat unsere Regierung schon vor Wochen vollmundig und mit in die Kamera strahlenden Gesichtern verkündet, wie gut wir für Corona aufgestellt wären. Es war eine Lüge! Oder wenn man es positiver ausdrücken will, eine Falschaussage aus Dummheit. Beides gereicht den Verantwortlichen nicht zur Ehre.

Es erreicht die Grenzen des Irrsinns, wenn Minister Altmaier gestern verlangt, dass die Kliniken und Praxen sich doch „an Gewerbetreibende im Umfeld wenden sollen, um sich Masken und Schutzmaterial nähen zu lassen“.

Wir leben in einem der reichsten und technisiertesten Länder der Welt und haben eine Regierung, die bei ihrer ersten(!) wirklichen Feuerprobe jämmerlich versagt.

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Heute morgen auf meinen sonstigen Leib- und Magensender HR 1 ein Gespräch zwischen zwei Moderatoren. Thema u.a. Schutzkleidung. Der sich als „Fachmann“ gebende Moderator verkündete froh gelaunt, dass wäre eben Marktwirtschaft, wenn es jetzt Spekulanten gäbe, die die wenigen greifbaren Masken statt für rund rund 50 Cent, nunmehr für > 13 Euro anbieten.

Und für diese, ich nenne sie Verbrecher, sollen wir unsere Gesundheit und vielleicht sogar unser Leben zum Markte tragen? NEIN.

Ich verlange, dass der Gesetzgeber hier genauso schnell und konsequent handelt, wie etwa bei seiner Gesetzgebung zur „Einschränkung der Hassrede im Netz“, der quasi heimlichen Erhöhung der ÖR-Zwangsabgabe und was weiss ich noch alles, was an ‚bahnbrechenden‘ Maßnahmen in den letzten Jahren auf den Weg gebracht wurde.

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Ich bin mir sicher, wir im Gesundheitssystem werden irgendwie mit dem Ansturm fertig werden, genauso wie der Busfahrer, die Verkäuferin, der Polizist, der Feuerwehrmann – wir sind systemrelevant. Die Regierung ist es offenbar nicht.

Aber, ich bin mir sicher, ’nach Corona‘ wird der Erfolg erfahrungsgemäß viele Väter haben und dann werden die, die jetzt schmählich abtauchen, ihren Nischel ganz schnell strahlend in die Kameras halten. Wir, die wir die Last tragen, werden dann allerdings nicht zu den Strahlemännern und – frauen gehören, die wenigen dafür vorgesehenen Stellen sind schon jetzt besetzt.

Wetten dass ….?

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