Gleichförmig kann auch fast rund sein
Gestern wurde irgendwie nebenbei, so als wäre es absolut nebensächlich, bekannt gegeben, dass die Ausgangsbeschränkungen mindestens noch bis zum 19. April weitergeführt werden (müssen). Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder haben sich gestern darauf verständigt, kaum jemand schien sich dafür zu interessieren. Bei den Meisten löste es keine Reaktion aus, drauf angesprochen, lediglich ein Schulterzucken. Ich merke, selbst unter den sozial nicht Abgeschotteten, weil noch täglich arbeitend, entwickelt sich ein wachsendes Desinteresse, die zu erwartenden drastischen sozialen Folgen spielen überhaupt keine Rolle. Die Stimmung ist eher resignierend, ‚es kommt eben wie es kommt, wir machen, was wir sollen‘ – ich empfinde es nicht als angenehm.
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Die Kanzlerin erschien diesmal persönlich auf dem Bildschirm, wie immer in der Kulisse der Augsburger Puppenkiste, es wurde nicht wieder im Nebensatz von Helge Braun verkündet. Ergänzend wurden einige Ministerpräsidenten ins Bild gesetzt. Sie taten dies mit der ihnen eigenen, hinlänglich bekannten, professionell antrainierten Empathie in der Stimme. Allerdings einer, der sonst bei zentralen Themen selten ins Bild kommt oder darf, trat mit der Pose eines römischen Feldherren auf, der seine Legionen über die Entscheidung des Cäsar informiert, um sie dann gnadenlos in den Kampf zu schicken. Das auffällige neue Outfit wurde dagegen gekonnt in Szene gesetzt. Vielleicht können ihn die Berater darauf hinweisen, dass dies in Zeiten verordneter allgemeiner Bescheidenheit so gut nicht ankommt? Originalton eines Menschen aus einem süddeutschen Bundesland vor dem großen Televisor: „Ist das nicht der, der geheult hat, als er nicht gewählt worden ist?“ Ja, das ist er, auch wenn das „welterschütternde unverzeihliche Ereignis“ niemand mehr interessiert und auch im Vergleich zur aktuellen Lage der berühmte Fliegen- besser noch Mückenschiss der Geschichte war.
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Thema Geschichte: Schon tauchen die ersten Trittbrettfahrer auf.
Heute morgen auf dem Nachhauseweg teilte man im HR mit, dass Herr Schellnhuber fordert, die Bereitschaft der Deutschen zum Verzicht in Angesicht von Covid-19 gleich „für das Klima“ weiter zu nutzen. Schellhuber ist der Mann, dem die Kanzlerin in Klimafragen, warum auch immer, ihr Ohr leiht. Ich nenne es Chuzpe, wenn Schellnhuber jetzt feststellt, „es hat sich gezeigt, dass die Deutschen Verzicht üben können, dass sollten wir für’s Klima gleich weiter ausnutzen“. Ich hätte nicht gedacht, dass die, die vor autoritärem Gehabe des Staates gewarnt haben, so schnell Recht bekommen würden.
Nein, Herr Schellhuber und gleich auch an die Politik gerichtet: Die Bereitschaft der Menschen in einer absoluten Notlage temporär quasi freiwillig auf verfassungsmäßig angestammte Grundrechte zu verzichten, hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, dass daraus ein Dauerzustand im Sinne einer Selbstbedienung des Staates werden könnte und dürfte.
Hier muss man sagen: Wehret den Anfängen und haltet die Augen offen.
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Die Medien haben es schwer, das Thema Corona ist ausgelutscht und Neues gibt es kaum. Trotzdem, ein bisschen Mühe kann man sich schon geben – gerade jetzt.
Ich entfalte die regionale Tageszeitung „Freies Wort“ und lese auf der ersten Seite die in größten Lettern gehaltene Titelzeile:
„Corona-Toter in Sonneberg“.
Leute, Leute. Vielleicht gibt es Menschen, für die es wesentlich ist als erste Information zu lesen, dass in der Kleinstadt in Südthüringen ein alleinlebender Mann, der noch nicht zu den Alten gehörte, gestorben ist, bei dem man post mortem auch Covid-19 gefunden hat. Man weiss noch nicht einmal, ob der Mann durch oder mit Corona gestorben ist, aber die Menschen werden in Aufruhr versetzt, als ob weiland die Pest trotz des zugemauerten Stadttors in die Stadt eingebrochen ist und der Sensenmann in jedem Haus seine grausige Ernte hält.
Einige Seiten weiter in der Titelzeile:
„Der Kampf um die Beatmungsgeräte“
Eigentlich braucht man gar nicht weiterlesen, weil allein die Überschrift impliziert, dass ein unerbittlicher blutiger Nachbarschaftskampf um lebenswichtige medizinische Geräte eingesetzt hätte. Früher hätten wir gelernte Ostler noch frohgemut sagen können: „Ist doch nicht schlimm, dann lassen ich eben mir von meiner Oma im Westen – so man hatte – so’n Ding schicken“ und das Problem wäre geklärt gewesen. Heute hat die Oma selber keins…. „Schöne neue Welt“.
Liebe Leute in den Redaktionsstuben, solche Art von Journalismus ist in Krisenzeiten entbehrlich und das bekommt selbst BILD viel besser hin.
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So, die Sonne scheint von einem makellosen Himmel, auch wenn es noch kalt ist.
Ich gehe jetzt in meinen Garten, ich habe wichtige Dinge zu tun. Gestern Abend habe ich Depp vergessen die Fenster meines Frühbeets zu schließen, was an sich nicht schlimm wäre, wenn nicht meine selbstgezogenen Salat- und Kohlrabipflanzen nach dem heftigen Nachtfrost jetzt ziemlich belämmert am Boden liegen würden. Der Frost hat sie dahin gestreckt, das ist nicht schön, weil ich irgendwie mit meinen Pflanzen mitleide, aber immer noch besser, als wenn Corona einen von Euch durchgeschüttelt hätte.
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Auch wenn die Tage mehr oder weniger gleichförmig vor sich hin „trotteln“, die Dynamik scheint raus , aber es läuft trotzdem noch irgendwie rund.
Bleibt hübsch gesund, haltet Abstand wo es geht …. und so ihr wollt.