Tag 9 des Corona-Notstandes

Es ist, wie es ist.

Waren die ersten Tagen unseres Corona-Notstandes noch von einer gewissen, gespannten Neugier gekennzeichnet, wendet man sich nun langsam der neuen Realität zu.

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Die Rentner leben bei der Parkplatzsuche schon wieder so richtig auf, warum sollte man denn nicht auch einem möglicherweise Corona-Infizierten „den Vogel“ zeigen dürfen? Ja, wo leben wir denn! Der Stinkefinger dagegen ist nach wie vor beim deutschen Rentner noch nicht so richtig beliebt.

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Heute morgen konnte ich beim morgendlichen Besuch am Bäckerstand erleben, dass sich ein Rentner laut mokierte: „Die steht aber och nicht einsfuchzich weg!“ JA, wahrscheinlich waren es tatsächlich nur 1Meter 49?!

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Vor dem REWE ein Rentnerehepaar beim Abholen des Einkaufswagens: Er hat eine Packung Desinfektionstücher in der Hand, reicht ihr einen feuchten Lappen: „So, jetzt kannst’e dir die Stange abwischen.“ Was sie auch brav und gründlich erledigt. Dann reicht er ihr ein zweites Tuch: „Damit machst’e dir jetzt die Hände sauber.“ Was sie auch tut, er wirft beide Tücher in den nächsten, noch an der Leine liegenden leeren Wagen. Meine naive, unbeholfene Frage: „Und was macht der Nächste jetzt mit ihrem Abfall?“ Die Antwort ist klar: „Das geht dich gar nischt an.“ Womit er wohl recht hat.

Alles schon wieder wie immer!

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Die Medien haben es derzeit auch schwer, das Thema Corona ist ausgeleiert und sonst passiert nichts. Die regionale Tageszeitung wird gefühlt von Tag zu Tag dünner, die Schrift immer größer und den Rest füllen nichtssagende Fotos.

Trotzdem wird immer mal wieder ein Thema aufgepeitscht, seit Tagen ist es die „Häusliche Gewalt“. Irgendjemand hat beschlossen, dass die soziale Regression unabänderlich zu einer Zunahme familiärer Gewalt führen müsse. Es wird hoch und runter diskutiert. Selbst mein sonstiger Lieblingssender macht einen „Thementag“ dazu und Spezialisten und Experten jeglicher Couleur deklinieren „Das-möglicherweise-Eintretende“ stundenlang von vorn nach hinten und von hinten nach vorn.

Ich vermute mal, wer bisher seinen Partner/Partnerin nicht gewohnheitsmäßig immer mal nachdrücklich und handgreiflich an seine/ihre „Pflichten erinnert“ hat, wird es auch jetzt nicht tun. Und die, die es bisher genossen haben, werden ihrer Gewohnheit, ‚er gegen sie‘ und ’sie gegen ihn‘ auch weiterhin genüsslich frönen.

Allerdings lässt sich vermuten, dass bei zu eifriger „Öffentlichkeitsarbeit“ zum Thema die Zugangsschwelle für potentielle Täter sinken wird. Wenn dann die Zahl der Delikte – wie herbeigeredet – wirklich ansteigen wird, ist das „öffentliche Breittreten“ ein nicht zu unterschätzender Trigger gewesen.

Also auch hier der Rat, solange nichts passiert ist, eher mal die Klappe halten.

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8 Kommentare zu „Tag 9 des Corona-Notstandes

  1. Weißt du, wenn es nicht fast immer die schwächeren Frauen wären, die die Prügel einstecken, oder noch schlimmer, die Kinder, die Gewalt über sich ergehen lassen müssen, würde ich kein Wort dazu sagen, – Ich habe bwz. hatte drei jüngere Freundinnen, die massive Gewalt von ihren Partnern erlebt haben – der eine hat sogar die Kinder entführt.
    Und eine andere ist Leiterin eines Berliner Frauenhauses – diese Sachen KANN ich mir einfach nicht anhören, da habe ich zu schwache Nerven dafür. – Und die Zeit ist jetzt sehr „günstig“ dafür, dass Sicherungen durchknallen.
    Und tschüss!

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    1. Ganz sicher ist es so.
      Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Zugangsschwellen für unsoziales Verhalten, allgemein, niedriger werden, je mehr darüber öffentlich konfabuliert wird. Wenn klar ist, dass eine Tat „ohne wenn und aber“ gesellschaftlich nicht nur bestraft, sondern auch lange geächtet wird, ist die Zugangsschwelle automatisch höher. Typisches Beispiel: sexuelle Übergriffe oder gar Kinderpornographie. Je mehr darüber geschwatzt wird, relativiert, nach Ursachen(?) gesucht, desto mehr sinkt die Hemmschwelle der Täter selbst aktiv zu werden. Lg. R.

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      1. Rainer, „konfabuliert“ ist ein tolles Wort – muss ich erst mal nachschlagen und mir dann – wenn für gut befunden – abspeichern.
        In der DDR „gab es ja so gut wie keine Sexualstraftaten an Kindern“ – aber nicht, weil keine stattfanden, sondern weil die Presse nicht darüber berichten durfte. War das besser?
        Sonnige Berliner Gruße

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    2. Abgesehen davon, dass auch gar nicht mal so selten Männer Opfer von häuslicher Gewalt werden und sich dann auch zusätzlich als „unmännlich“ verspotten lassen müssen und nicht auf ein derartiges Unterstützungsnetzwerk wie Frauen und Kinder zugreifen können:

      Wenn häusliche Gewalt nun zunimmt durch die aktuelle Situation, dann ist imho nicht die Kontaktsperre schuld (auch eine Ausgangssperre wäre nicht schuld), sondern schuld und verantwortlich ist immer noch derjenige, der die Gewalt ausübt.

      Ich finde es irritierend und fatal, wie bereitwillig das Narrativ verbreitet wird, dass die häusliche Gewalt wegen (sic!) der Kontakt- /Ausgangssperren zunehmen würde.

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      1. Hallo, itayiriki, ich schrieb ja bewusst: „Fast immer …“, ab und an kann es schon sein, dass Frauen auch ihre Partner drangsalieren oder prügeln.
        Vielleicht ist es jetzt so: die von der Anlage her gewaltbereiten Männer sind sonst den ganzen Tag arbeiten und gehen danach womöglich zum Sport oder in die Kneipe mit Kumpeln trinken und kommen erst nach Haus, wenn die „nervigen, lauten Kinder“ schon im Bett sind. Und genau diese Kinder müssen sie jetzt mehr oder weniger 24 Stunden in einer viel zu kleinen Wohnung aushalten, wo kaum jemand genügend Freiraum und Ruhe hat – ich kann es mir sehr gut vorstellen, dass dann einigen von denen viel eher die Hand ausrutscht. – Ich bin nicht im Sozialdienst tätig und kann meine Vermutung nicht beweisen – ist nur so ein Gefühl.

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