Immer häufiger Gewalt
In Hanau wurde heute Nacht geschossen, vom Täter wurden 9 Menschen ermordet, danach wurden er selbst und seine Mutter tot aufgefunden. Soweit die Medienangaben.
Ein unglaubliches Massaker und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie furchtbar den Betroffenen in diesen entscheidenden Sekunden ihres Lebens zu Mute gewesen sein muss.
Inzwischen wird berichtet, dass der Täter aus rechtsradikalen Motiven gehandelt haben soll. Das, was bisher bekannt ist, legt nahe, dass der Mann einen heftigen Sprung in der Schüssel gehabt haben muss. Die bisher veröffentlichten vorgeblichen Zitate weissen auf ein paranoid geprägtes Denk- und Verhaltensmuster hin.
Die Medien berichten über diese ungeheuerliche Tat glücklicherweise noch relativ zurückhaltend.
Leider überraschen mich die – gefühlt – immer häufigeren Gewaltausbrüche gegen Menschen, aber auch gegen materielle Dinge nicht, sind sie doch Ausdruck einer immer stärkeren Polarisierung in unserer Gesellschaft.
Ich erinnere mich häufig an die Sozialisierungsmechanismen, die ich als Kind auf unserem Schulhof erlebt habe. Berichtet habe ich Euch darüber schon vor einiger Zeit.
Es gab klare Strukturen: nämlich primär Jungen und Mädchen. Und es war undenkbar, dass selbst die rüpelhaftesten Jungen, die sich – aus unterschiedlichsten sozialen Schichten kommend – untereinander gelegentlich windelweich prügelten, gewaltsam gegen Mädchen vorgegangen wären ohne, dass sie massiven kollektiven Widerstand erfahren hätten. Der schlimmste Exzess war wohl das ‚Ziehen am Pferdeschwanz‘, wenn es eine der Damen gar zu arg trieb.
Bei aller Gruppenbildung gab es immer eine große „ausgleichende“ Mitte, die erfolgreich verhinderte, dass die sich natürlicherweise entwickelnden ‚Revierkämpfe‘ dauerhaft in pure verbale oder grenzenlose physische Gewalt umschlugen. Letztendlich erwies sich „die deeskalierende Mitte“ über die Jahre als der stabilisierende Faktor der kleinen sozialen Schulgemeinde. Was natürlich nicht verhinderte, dass hier und da die Kraft ausgetestet werden ‚musste‘.
Dieses „Kräftemessen“ zur Bestimmung der eigenen Position im sozialen Gefüge erfolgte immer allein mit den Händen, jegliche Formen von Waffen waren „nicht zugelassen“, wenn einer der Gegner am Boden lag, galt der ‚Kampf‘ als beendet und solche Dinge, wie heute auf einen am Boden Liegenden noch einzutreten, hätte für den Täter im unmittelbaren Augenblick „Klassenkeile“ und anschließend eine lange soziale Ausgrenzung bedeutet.
Ich erinnere auch, dass die Gegner nach Ende ihres Kampfes von der zuschauenden Mehrheit aufgefordert wurden sich die Hände zu geben. Damit wurde zumindest formell ein ‚Friedensvertrag‘ geschlossen, auch wenn die inhaltlichen Differenzen natürlich durch das gegenseitige Kloppen nicht behoben waren.
Die regulative Größe bei allen Konflikten war somit immer die „große deeskalierende Mitte“.
Ich wünschte mir, es gäbe in unserer Gesellschaft eine deeskalierende Mitte, sie ist uns offenbar verloren gegangen.
Der morgendliche Gang durch die Medien legt im Gegenteil den Verdacht nahe, dass die extremen Teile der Gesellschaft, egal ob rechts oder links, oben oder unten, einen gnadenlosen Kampf um die jeweilige Deutungshoheit in der Gesellschaft führen. Ich erlebe auch in und über unsere Medien eine bisher nicht gekannte verbale Gewaltorgie. Ich vermute, selbst „Sudel-Ede“ selig hätte dabei noch einiges an Vulgarität lernen können. Karl Eduard von Schnitzler ist mir wahrscheinlich an dieser Stelle nicht nur wegen der optischen Ähnlichkeit zu einem bekannten, erfolglosen und sich wie ein Lautsprecher gebärdenden CDU-Europa-Politiker eingefallen.
Bis vor wenigen Jahren hatte ich das Gefühl, dass es in unserem schönen Land eine große, stabile und relativ „statische“ Mitte gibt, die praktisch der Garant für Beständigkeit und gleichzeitig „massentaugliche“ oder sozialverträgliche Veränderungen der Gesellschaft war. Die relativ kleinen Randgruppen unterschiedlichster Couleur liess man gewähren, irgendwie hatte man sie – allein durch die Kraft der Masse – immer im Griff.
Ich vermute, die stabile – meinetwegen – bürgerliche Mitte war damit gleichzeitig der Garant für die jahrzehntelange positive Entwicklung unserer Gesellschaft und für den enormen wirtschaftlichen und damit sozialen Aufschwung.
Schon oft wurde ich von verschiedener Seite gefragt, was denn, um Himmels Willen, ich mit dem Begriff „bürgerliche Mitte“ meine. Erwartet wurde von mir dann regelhaft eine ideologische Begründung, die ich nicht geben kann und will.
Für mich ist die „bürgerliche Mitte“ unserer Gesellschaft im Jahr 2020 der Teil der Bevölkerung, der jeden Morgen aufsteht, einer geregelten Arbeit nachgeht und damit die soziale Sicherung seines unmittelbaren sozialen Umfeldes und – durch seinen sehr extrem hohen Steuer- und Abgabenanteil – auch der Gesamtgesellschaft gewährleistet.
Ich spreche vom Automobilarbeiter am Band bei Opel oder Benz, ich spreche vom Chemiearbeiter, der meinetwegen bei Bayer während seiner lohnbringenden Arbeitszeit auch Glyphosat herstellt, ich spreche vom LKW-Fahrer, der entgegen allen gesetzlichen Regelungen tagtäglich x-Stunden auf dem Bock sitzen muss und vom Personal bei der Bahn oder in der Verwaltung. Ich spreche vom Bauern, der unsere Lebensmittelversorgung absichert und dafür von selbsternannten „Aktivisten“ beschimpft und ich spreche vom Lehrer in der Schule, der von versagenden Eltern täglich belehrt wird.
Ich spreche also von den Menschen, die durch ihre regelhafte Arbeit unser Gemeinwesen am Laufen halten, die gemolken werden ohne Unterlass und das, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
Ich spreche damit von denen, die aktuell keine konsequente politische Interessenvertretung mehr haben.
Auf der anderen Seite gibt es eine – gefühlt – täglich größer werdende Zahl von Rand- und Splittergruppen, die sich der Einfachheit halber das Schild „Aktivist“ um den Hals hängen, dabei kaum Anderes als ihre eigenen Interessen verfolgen und inzwischen meist trefflich von der „Mitte“ leben
Von diesen Menschen spreche ich nicht, wenn ich von der „bürgerlichen Mitte“ spreche. Ich denke dabei genauso wenig an die ‚Rechtsaußen‘ hinter Höcke und die frustrierten Rentner von Pegida, wie an die Extremisten von Connewitz, die obskuren ‚Roten Damen‘ von XR oder die europaweit aktiven „Schwarzen Blöcke“.
Bedauerlicherweise habe ich das Gefühl, dass die ausgleichende, sprich stabilisierende „Mitte“ wegen ihrer enormen sozialen Belastungen zunehmend „politisch“ resigniert und damit den extremen Randgruppen Raum lässt, um ihre Vögel jeweils frei fliegen zu lassen. Noch nie in den letzten 30 Jahren habe ich beim Versuch das Gespräch auf politische Themen zu lenken so oft die sinngemäße Antwort erhalten: „Lass mich mit dem Quatsch in Frieden, ich habe eigene Sorgen.“, wie dies heuer geschieht.
Mit dieser Preisgabe des sozialen Raums durch die tatsächlichen Leistungsträger wird der Polarisierung der Randgruppen naturgemäss mehr Einfluss gegeben, bis hin zu verbalen und körperlichen Gewaltattacken, die je nach Bedarf dramatisiert oder auch relativiert werden.
So wie die „Parteien der Mitte“ durch ihre eklatante Schwäche den „Parteien der Ränder“ immer mehr Raum abtreten, so gibt auch die „bürgerliche Mitte“ das Terrain den gesellschaftlichen Randgruppen preis.
Es gab auch auf unserem Schulhof diesen und jenen Extremisten, der sich um gesellschaftliche Normen nicht scherte. In der Regel wurde er durch die „Kraft der Mitte“ ausreichend diszipliniert.
Wenn allerdings die gesellschaftliche Mitte aufgibt, wer diszipliniert dann die extremen Ränder? Niemand.
Im Gegenteil, wenn sich der ‚Block der Mitte‘ auflöst, dann suchen die damit ihre Orientierung verlierenden Menschen andernorts Anschluss. Dreimal dürfen wir raten, wo das sein wird?
Ich bin mir sicher, dass ich in den nächsten Tagen wieder viele hübsche Beschimpfungen in meinen eMAils finden werde. Ich kenne das bereits zur Genüge, von „linksgrün-versifft“ bis „braune Drecksau“ habe ich alles schon vielfach gelesen. Das sind eben die „extremistischen Ränder“. Ich brauche sie nicht, trotzdem müssen wir mit ihnen leben.
Du sprichst mir mit jedem Satz aus der Seele. Und in der Schule war es bei und im Westen genauso. Hanau kenne ich ziemlich gut. Da habe ich mich Samstags auf dem Markt oft mit Bekannten zum ‚Fruehstuecken“ getroffen. Aber auch in meiner Jugend GI’s mit dem Taxi in ihre Kasernen gebracht. Da gab es auch ‚mal Differenzen, aber keine Schiessereien. Selbst die Zuhälter hatten bei ihren Revierkämpfen noch eine Ganovenehre. Was derzeit angeht begreife ich auch nicht. Die Sprüche der Politiker lösen das Problem mit Sicherheit nicht. Wir sind weit gekommen, mit einer Justiz in der Täter gegenüber den Opfern privilegiert werden..
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Die Gegenwart begreife ich schon lange nicht mehr richtig – aber an die Vergangenheit kann ich mich noch gut erinnern. Bis zu meiner Ohrenanlegeoperation mit 15 Jahren hatte ich ja abstehende Löffel und – damit sie etwas gebändigt wurden, trug ich Zöpfe darüber. Und da ich schon immer etwas frech war, wurde ich ab und an an diesen gezogen – aber richtige Schlägereien auf Schulhöfen so wie heute gab es tatsächlich nicht.
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Liebe Cjara, natürlich verstehst Du die Gegenwart, wer wenn nicht auch Leute wie Du? Du wirst doch nicht behaupten wollen, dass Du deinen Intelellekt bei der Rentenkasse abgegeben hast?
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Na gut, vielleicht müsste ich eher sagen, ich will sie nicht verstehen so wie sie jetzt ist. Aber das hilft mir ja auch nichts. Und wenn ich den Kopf in den Sand stecke, bekomme ich so viel Sand in den Mund und keine Luft.
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Alles ein Erfolg der Medien: Die Zeitung mit den 4 großen Buchstaben verbreitet Hetze ohne Ende gegen alles und jeden: rechts, Ausländer, Hartzer – nur nicht gegen Politiker. Keiner kauft das Blatt aber jeder weiß, was drin steht. Und die anderen Zeitungen liefern auch nur Halbwahrheiten und fördern den Terror: Nordkurier begrüßt US-Truppen auf dem Weg gen Osten, Süddeutsche…
Wir hatten gestern 43 Überflüge von US-Transportmaschinen von und nach Ramstein…
Hörst du da was von Hans, Dreyer oder sonst jemandem? Beschwert sich die Landesregierung MV wegen des militärischen Fluglärms über dem Müritz-Nationalpark? Die Eurofighter-Abstürze, der F-16-Absturz?
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Ja, mit der selektiven Wahrnehmung der Realität hat es bei den Meisten schon seine Probleme. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, irgendwo im Niemandsland auf verlorenem Posten zu sein.
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So ist es. Die meisten haben schon resigniert, sehen und hören nichts, sagen noch weniger und lassen sich von der Röhre, äh LCD- oder Plasmaschirm, berieseln.
Und die Kinder können einem ob der Leerpläne leid tun, hast ja wohl diese Woche die Aussage zu den vergleichbaren Schulabschlüssen mitbekommen.
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Ergänzung:
https://giskoesgedanken.wordpress.com/2020/02/20/ein-film-ueber-die-ddr/
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