Dirk ist auf den Baum geklettert
Die Talkshow-Macher von …. bis Lanz haben einen neuen Star, Dirk Rossmann.
Ehrlich, ich bewundere Dirk Rossmann, wie er mit der lediglich etwas modifizierten Geschäftsidee der Großdrogerie Milliarde(n) verdient hat.
Nun ist es mit Geld verdienen so ein Ding. Zu Zeiten, als die EZB noch nicht nach Belieben Geld druckte und denen schenkte, die sowieso schon genug hatten, war meines Wissens die zirkulierende Geldmenge relativ stabil. Wenn sich also an einer Stelle Geld ansammelte, musste es an einer anderen Stelle weggenommen worden sein. Sein Ex-Konkurrent Anton Schlecker etwa soll v.a. bei den Löhnen seiner Angestellten tüchtig gespart haben, allerdings wahrscheinlich immer noch zu wenig.
Also, wie Dirk Rossmann sein Riesenvermögen gemacht hat, weiss ich natürlich nicht.
Einer meiner Urgroßväter war ‚zwischen den Kriegen‘ in und um Erfurt mit einem „Bauchladen“ für ‚Seifen und Schnürsenkel‘ jeweils vom 1. Januar bis zum 31. Dezember ohne Pause unterwegs, hinterlassen hat er – der Überlieferung nach – nichts.
Obwohl, ganz stimmt das nicht, der aufklappbare Bauchladen aus einem dunkelbraunen Holz lag dann noch viele Jahre auf dem Dachboden meiner Großmutter herum. Er war leer bis auf einige verrostete Sicherheitsnadeln, trotzdem fanden wir Enkel es spannend damit zu spielen. Er war leer, wie die Taschen meines Urgroßvaters als er mit ungefähr 70 starb, nach Jahrzehnten bei Wind und Wetter zu Fuß und mit dem Fahrrad auf der Straße.
Dirk Rossmann hat es ganz offensichtlich wesentlich besser gemacht, er hat damit ein stattliches Vermögen akquiriert. Ich nehme aber an, dass er nie selbst mit dem Bauchladen für ‚Seifen und Schnürsenkel‘ zu Fuß unterwegs war.
Dirk Rossmann hat – aufgemerkt – ein Buch geschrieben, in dem er berichtet „wie er auf den Baum geklettert ist“. Ich kenne niemand, der es bis zum Ende gelesen hat, aber das ist Ansichtssache.
Aktuell ist Herr Rossmann sehr emotional quer durch die Talk-Show-Welt mit dem Thema Klima, Umwelt und Ressourcen unterwegs. Den naturwissenschaftlichen Gehalt seiner lebhaft vorgetragenen Thesen mögen andere beurteilen, aber es ist schon auffällig, dass selbst der sonst gnadenlos quengelnde Lanz ihm nicht ins Wort fällt.
Dirk Rossmann verweist in seinen ellenlangen Monologen gern auf Ressourcen, predigt Verzicht und lobt das deutsche Steuersystem ob seiner angeblichen Gerechtigkeit über den grünen Klee und das seit Jahren. siehe schon hier: https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/drogeriemark-riese-dirk-rossmann-milliardaer-mit-prinzipien/9694762.html
Nun glaube ich mir fast sicher zu sein, dass man ein beliebiges Steuersystem als gerecht empfindet, wenn man selbst mehr als genug hat, dann davon etwas abzugeben macht keine Schmerzen und wenn man damit öffentlich prahlt – „wir bezahlen mehr Steuern als dm“ – auch einen schlanken Fuss.
Ich bin mir absolut sicher, die alleinerziehende Bäckereiverkäuferin im Mindestlohn sieht das ganz, ganz anders. Vor allem wenn sie verfolgt, was mit ihren Steuern und Beiträgen tatsächlich passiert.
Dirk Rossmann redet also gern über Nachhaltigkeit und Verzicht. Um mich nicht lumpen zu machen, wollte ich mitmachen.
Als hartnäckiger Nassrasierer brauche ich ab und zu – richtig – Rasierklingen und Rasiercreme. Um kein Snob und bescheiden wie Dirk auf dem Baum zu sein, greife ich erstmals zur Rossmann-Hausmarke „Insana“, Rasierklingen und Rasierschaum.
Das ich nach der ersten Rasur im Gesicht aussah, wie früher die jüngsten Burschenschafter nach der ersten Mensur, habe ich noch meinem Ungeschick untergeschoben. Als es beim zweiten Mal noch schlimmer blutete und mich die Kollegen mitleidig fragten, was denn passiert sei, ich sähe ja schlimm aus, habe ich den Neuerwerb dem Restmüll übereignet. Dummerweise hatte ich mir noch einen Viererpack Ersatzklingen gekauft, sind auch weg. Den gleichen Weg ging die Rasiercreme, für meine wirklich nicht sehr verwöhnte Nase nicht tauglich.
Lieber Dirk Rossmann, so wird das nichts mit der Nachhaltigkeit, mit Ihrem Umsatz schon. Ja, so klettert man auf den Baum, vielleicht sollte ich das Buch doch einmal bis zum Ende lesen?
Es ist mir überliefert, dass mein Urgroßvater in seinem Bauchladen auch immer einige Rasierklingen und eine Rasierseife ‚im Stück‘ mitführte. Die Klingen verkaufte er einzeln, die Seife teilte er mit dem Messer. Ob die Artikel von King Camp Gillette, dem Erfinder der doppelseitigen Rasierklinge waren oder aus lokaler Produktion, das ist mir nicht bekannt geworden. Allerdings, auf dem Innendeckel hatte er immer eine Liste mit Inhalt und Preisen. Dort fand sich auch „1 Stück Alaunstein“, damit stillt man Blutungen nach der Nassrasur. Möglicherweise hatte er für seine Rasierklingen schon den gleichen Hersteller wie Dirk Rossmann auf dem Baum für seine Hausmarke?