Ein seltsamer Winter
Gestern begann in Oberhof (Thüringen), das ist vom Rheinland gesehen kurz vor dem Ural, der Biathlon-Weltcup.
Die kleine Spitze scheint mir notwendig, weil mir gerade gestern ein Mann aus dem Rheinland erklärte, dass „er sich nie hätte träumen lassen, dass er in seinem Leben noch einmal in den Osten muss“. Es hätte noch gefehlt, dass er sich laufend umgedreht hätte um sicher zu gehen, dass sich von hinten nicht a) ein Stasi-Mann oder b) ein ausgewachsener Nazi anschleicht. Er hat es nicht getan, ich hatte die Sache zu seiner Sicherheit auch voll ‚im Blick‘. Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, er kam nicht etwa freiwillig, sondern war ‚gegen seinen Willen‘ geschickt worden. Ich drücke ihm die Daumen, dass ihn in den anstehenden Tagen hier in Thüringen nicht doch der Gottseibeiuns noch ereilt. Aber er ist ein guter Katholik, das hilft.
Der Biathlon-Weltcup hat mit dem Herrn gemeinsam, dass sie von uns aus gesehen, also von kurz vor dem Ural, aus der gleichen Ecke kamen.
Es mag seltsam klingen, aber die Biathleten in Oberhof (Deutsche Mittelgebirge) rutschen u.a. auf Schnee aus der Skihalle im ‚Alpenpark‘ Neuss, der vorher schon auf Schalke den Sportlern als Gleitunterlage gedient hatte. Den „Schnee“, schon etwas grau, aber Pastellfarben sollen modern sein, hatte man in den letzten Tagen wieder auf LKW’s verladen und rund 350 Kilometer von Schalke nach Oberhof gefahren.
Es klingt wie ein Schildbürgerstreich, aber es ist wahr.
Die Gründe dafür sind vielschichtig und meist lokaler Natur.
Der Oberhofer Weltcup hat Tradition, eine sehr gute Tradition über viele Jahre. Er ist ein Fest des Sportes für die Region, er ist ein großer Wirtschaftsfaktor für das kleine Städtchen und die gesamte Region und auch ein Teil der Grundlage der Nachwuchs- und Vereinsarbeit in der – man muss schon fast sagen – früheren Wintersportregion Thüringens.
Ich selbst war zwar nicht so oft beim Welt-Cup, aber es war und ist ein lokales Großereignis. Meine eher rudimentäre Anwesenheit hatte nichts mit der Qualität des Sports dort zu tun, die ist unbestritten hoch, eher etwas mit dem Fassungsvermögen meiner Blase und ich gehöre nicht zu den eingefleischten Fans, die mit dem Einsatz von ‚Pampers‘ ihren einmal mühsam errungenen Zuschauerplatz verteidigen.
Wintersport in Thüringen mit langer Tradition scheint derzeit zwar noch nicht obsolet, aber doch zunehmend vakant.
Die Veranstaltung heuer wirkt auf mich bei strömendem Regen und einer grauen Kunstschneestrecke im Grünen besonders makaber, wobei ich ausdrücklich den Einsatz der vielen, vielen ehrenamtlichen(!) regionalen Helfer wertschätze.
Nicht zuletzt deshalb finde es ich völlig logisch und aus wirtschaftlicher Sicht auch notwendig, dass Oberhof seinen Weltcup verteidigt.
Nun kann man Wintersport kalendarisch festmachen, oder zwingend an die Anwesenheit von ausreichend Schnee koppeln. Und der Schnee ist eben lokal nicht mehr verlässlich da.
Das Ankarren von Kunstschnee über hunderte Kilometer und das Ablegen des Kunstprodukts im mehr oder weniger Grünen, wirkt auf mich surreal, tut mir leid.
Meine Meinung zur Klimahysterie kennt ihr und auch meine Einstellung, dass es sinnvoller und wirtschaftlicher ist die Auswirkungen der Klimaveränderungen rechtzeitig abzufedern, als sich wie Don Quichotte auf die Windmühlenflügel des Kohlendioxid zu stürzen.
Hier ist die Beweglichkeit und die Verantwortung der Biathlon-Union gefordert.
Wenn die Menschen im Winter Sport treiben wollen, gut so, wenn die Menschen im Winter Leistungssport sehen wollen, ihr gutes Recht, wenn die Menschen dies auch regional erleben wollen, nichts dagegen zu sagen
Aber warum kann man zum Beispiel nicht so flexibel sein, wenn es eben verlässlich keinen Schnee gibt, den Wettbewerb auf geeigneten Ski-Rollern auszutragen? Mir ist kein Gesetz bekannt, welches dies verbieten würde.
Der Qualität des Sports täte es keinen Abbruch, ich würde mir die Wettkämpfe genauso ansehen, die Zuschauer hätten sich spätestens im zweiten Jahr daran gewöhnt und in 5 Jahren wäre es ’normal‘. Damit behielte Oberhof „seinen“ Weltcup und nichts wäre passiert.
Die Flexibilität der Verantwortlichen und die Solidarität der Mitbewerber sind gefragt, wobei ich – leider – gerade auf letztere nicht unbedingt setzen würde.
Was das mit Wintersport zu tun hat ist mir wirklich ein Rätsel..😢
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