Die Historie ist voll von Persönlichkeiten, die der Menschheit den baldigen oder auch ferneren Untergang oder die Erwerbung des Paradieses vorhergesagt haben. Bisher hat keiner der Apologeten der Macht mit seiner deletären Prognose recht behalten.
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Ich will Euch hier kurz eine der schillerndsten Persönlichkeiten einer langen Reihe von ‚Volksverführern vorstellen‘, Girolamo Savonarola.
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Girolamo Savonarola,* 21. September 1452, war Dominikaner, Bußprediger und Kirchenreformator in einer Person. Eines seiner gesellschaftlichen Ziele bestand darin, eine breite politische Teilhabe gegen das Streben der Oligarchie nach Einhegung der Herrschaft zu verteidigen oder überhaupt erst zu ermöglichen. Damit war er ein „Pfahl im Fleisch der Herrschenden“, wenn auch ein selektiver.
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Da er auf nicht wenig Widerstand in der Bevölkerung, auch der einfachen und armen Menschen stiess, suchte und fand er sein eigenes Machtinstrument.
Es gelang Savonarola im Februar 1497 große Scharen von Kindern und Jugendlichen zu mobilisieren, die ohne Hemmungen durch die engen Gassen der Stadt Florenz zogen und „im Namen Christi“ alles „beschlagnahmten“, was damals als Symbol für die Verkommenheit der Menschen galt. Es steht außer Frage, dass der Begriff sehr weit gefasst und subjektiv, hier im Sinne Savonarolas, geprägt war.
So verwundert es heute nicht, dass dazu nicht nur ‚heidnische‘ Schriften oder ‚pornographische‘ Bilder gerechnet wurden, sondern auch ganz allgemein Gemälde, normaler Schmuck, jegliche Form von, wir würden heute sagen Kosmetika, ja einfache Spiegel, weltliche Musikinstrumente und selbst Noten, banale Spielkarten, aufwändig gefertigte Möbel oder repräsentative Kleidungsstücke. Es wird in den Quellen berichtet, dass die Besitzer diese Dinge teilweise ‚freiwillig‘, sogar freudig ‚ablieferten‘. Vorstellen kann man sich, dass dies einerseits aus „Reue wegen Verstosses gegen die Gebote der Kirche“ und andererseits aus Angst vor weitergehenden Repressalien durch die marodierenden Jugendlichen geschah. Glaubt man den Überlieferungen geschah dies im Rahmen einer ‚allgemeinen glaubensmäßigen Ekstase‘.
Erstmals am 7. Februar 1497 wurden die mehr oder weniger gewaltsam eingesammelten Gegenstände auf riesigen Scheiterhaufen in Florenz auf der Piazza della Signoria, schon damals, wie auch heute der zentrale Platz der Stadt, ‚unter dem Johlen der Massen‘ verbrannt.
Selbst der Maler Sandro Botticelli soll dabei einige seiner Bilder eigenhändig den Flammen überantwortet haben.
Das Savanarola schon bald, am 23. Mai 1498, von seinen Gegnern auf eben dieser Piazza della Signoria zuerst gehängt und die Leiche dann verbrannt wurde und dass dies wahrscheinlich vor der gleichen ‚riesigen Menschenmenge‘ geschah, die kurz vorher seinem „Fegefeuer der Eitelkeiten“ zugejubelt hatten, ist wohl eine der unendlichen gehässigen Fußnoten der Geschichte.
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Übrig bleibt, dass Kinder zur Durchsetzung der Interessen gesellschaftlicher Gruppen – dies wertungslos – eingespannt und auch mißbraucht wurden. Kinder gelten und galten schon immer als besonders ehrlich, empathisch, aber auch leicht zu beeinflussen, zu lenken, aber auch zu fanatisieren, wenn sie sich erst einmal einer „Sache“ verschrieben haben.
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Heute werden wieder Massen von Kindern mobilisiert, diesmal zum Glück nicht zur Vermeidung des Fegefeuers, sondern etwa unter Androhung des Untergangs der Menschheit in einer bis jetzt glücklicherweise nur imaginierten Klimakatastrophe.
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Bezeichnend, dass er für die evangelische Kirche als Märtyrer gilt. Von Luther wurde er als Heiliger Mann bezeichnet und selbst der Papst (Johannes PaulII) leitete 1998 auf Wunsch des Florenzer Erzbischofs ein Seligsprechungsverfahren ein. Ganz so weit ist er noch nicht, der Hl. Robert aus Schleswig Holstein. Die Philosophie des Ketzers hat er aber wohl eifrig studiert.
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