Ein Fernseher musste es sein …

1949 geboren war in meiner Kindheit in Sachen Medien das Radio der Stand der Technik. Ich glaube, das Wort Medien verwendeten wir garnicht, jedenfalls war das Radio die Verbindung zur Welt.

Der Empfang war häufig schlecht, die Technik im Klang dagegen gut, die Tonqualität der guten alten Röhrenempfänger ist /war für das empfindliche Ohr ein Genuss.

Mitte der 50er Jahre kamen im Osten Deutschlands die ersten Fernsehgeräte in größerer Zahl auf.

Ich erinnere mich, dass man nicht einfach in ein Geschäft gehen konnte, um ein Gerät seiner Wahl zu kaufen. Die meisten Fernseher wurden über die Betriebe als eine Art selbst zu bezahlender Prämie für „gute Leistungen“ verteilt.

Wir erhielten in 1958 einen Fernseher aus DDR-Produktion, eine sogenannte Fernsehtruhe „Rafena Carmen“. Ein lackierter Holzkasten, auf einer Seite ein Radio, ein Röhrengerät, auf der anderen Seite das Fernsehgerät, schwarz-weiss, mit einer Bildröhre von 43cm Diagonale, das entspricht immerhin knappen 17 Zoll.

Fast ein Jahr mussten wir warten bis das Teil abgeholt werden konnte, geliefert wurde nicht, wer es haben wollte, musste es selbst abholen. Vorfreude wie sonst bestenfalls zu Weihnachten, das ganze Haus, alle Nachbarn warteten und fieberten mit, war es doch üblich, dass man sich – meist Samstagabend – im Haus dort traf, wo es überhaupt einen Fernseher gab.

Das Teil wurde abgeholt, in Erfurt, mein Vater holte das große Paket mit einem „luftbereiften Handwagen“ mit einem Kollegen zusammen ab. Ausgepackt bekam das Gerät einen Ehrenplatz in der guten Stube, die zuvor zu seinen Ehren neu tapeziert worden war.

Ein Schwarz-Weiß-Bild, grieselig, heute würde man sagen mehr Dichtung denn Wahrheit, aber für die zwei Sender DeutschlandOst und DeutschlandWest reichte es.

Die Technik entwickelte sich über die Jahre und Fernsehgeräte unterschiedlicher Couleur haben mich über die Jahrzehnte begleitet, auch wenn sich mein Fernsehkonsum qualitativ und quantitativ immer mal wieder verändert hat.

Zuletzt hatte ich das Gefühl alles schon einmal irgendwo irgendwann gesehen zu haben und mein Interesse lies nach.

Nie wieder wurde die Spannung von Mike Nelsons „Abenteuer unter Wasser“ mit Lloyd Bridges, von Casey Jones dem Lokomotivführer mit Alan Hale Jr., von „Bonanza“ oder am „Fuss der Blauen Berge“ mit Robert Fuller erreicht.

Noch heute ziehe ich mir diese und jene Folge rein, so ich sie denn im Internet finde.

Die Spitze des Grauens waren die Durbridge-Krimis, damals die reinen Straßenfeger.

Die letzten Jahre erweckten in mir wieder das Gefühl in die Schule, zumindest in die DDR-Zeit zurück versetzt worden zu sein.

Statt Faktenvermittlung trat immer mehr eine „Volkserziehungsfunktion“ in den Vordergrund. Als gestandenem Menschen wollten und wollen mir irgendwelche jungen Leute erklären, wie die Welt funktioniert, das brauche ich nicht. In dem Mass wie ich mich bevormundet fühlte, lies mein Konsum noch weiter nach, beschränkte sich zuletzt auf nordische Krimiserien, ich mag einfach das Morbide.

Morbide wurden zunehmend die Nachrichtensendungen, die in meiner Kindheit und Jugend von Ost und West ein Muss waren.

Vor rund zwei Wochen gab unser aktueller Fernseher den Geist auf, er fuhr einfach nicht mehr hoch.

Am letzten Sonntag wählte nun Österreich ein neues Parlament, erwartungsgemäss siegte Sebastian Kurz von der ÖVP.

Für ihn und seine Parteifreunde sicher ein Grund zur Freude, bis zu dem Zeitpunkt, als er Klaus Kleber vom ZDF ein Interview gewährte.

Ich habe das Bedürfnis mich für diese Entgleisung von Kleber persönlich zu entschuldigen. Ein unverzeihlicher Fauxpas eines mit Zwangsbeiträgen höchstbezahlten Claqueurs, der Ausdruck „Fremdschämen“ ist zu schwach, trifft es nicht.

Wenn ich mich recht erinnere, ist Österreich ein souveränes Land, die Zeit des unseligen Anschlusses ist lange, lange vorbei. Souveränität bedeutet, dass die Österreicher das Recht haben ihr Parlament nach eigenem Gusto zu wählen. Gut gemacht!

Ach so, ihr werdet Euch fragen, was dies mit meinem Fernseher zu tun hat?

Ich werde keinen neuen Fernseher mehr kaufen, Kleber sei Dank, dafür stehe ich nicht mehr zur Verfügung, ich will kein arroganter Piefke-Mittäter sein. Und die paar nordischen Krimis, die kann ich locker im Netz streamen.

Ein Kommentar zu „Ein Fernseher musste es sein …

  1. Der Ersterwerb eines Fernsehers war damals aufgrund der Anschaffungskosten auch bei uns erst zu fast gleicher Zeit möglich. Als jüngstes Familienmitglied kaufte ich ein „ueberholtes“ Gerät von einem Sport Kollegen für DM 50 (mein Vater steckte mir meinen mtl. Lehrlingsverdienst aber wieder zu). Und vorher standen wir an Schaufenstern der Radiohändler um die neue Technik zu bewundern..

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