Ich bin über rund 70 Lebensjahre von der Presse viel gewohnt, aber es gibt immer noch Steigerungen.
Oma Anna beispielsweise hatte bis zu ihrem Tod alte Zigarettenbilderalben in ihrer Truhe bewahrt, die vom I. Weltkrieg und den dort geleisteten Heldentaten der Soldaten Kunde gaben. Sie verherrlichten das Soldatsein, sie Schlachten vor Verdun, an der Maas und sonstwo und mir kam als kleinem Pimpf, wie es damals oft noch hieß, das Gefühl, das muss ich auch machen. Das und nur das sind richtige Männer.
Die Alben stammten aus der Zeit zwischen den Kriegen, wie man damals sagte, und dienten dazu die Menschen auf den nächsten Krieg vorzubereiten.
Es klappte, auch danach noch.
Für die Jungen: Zigarettenbilder lagen früher oft Packungen bei, wurden gesammelt, dazu gab es Alben um die Menschen zum Kauf anzuregen, so wie heute irgendwelche Sticker.
In der Kiste lagen ganz unten auch einige alte Zeitungen. Ich erinnere mich noch heute an eine Ausgabe des „Stürmer“. Der „Stürmer“ hatte den Untertitel „Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit“.
Der Kampf um die Wahrheit, das musste gut sein.
Als Kind, welches gerade Lesen gelernt hatte, fand ich noch alles spannend. Das vergilbte Papier, welches ich sehr vorsichtig auseinander falten musste, damit es an den Falzen nicht noch weiter einriss, große Buchstaben, die sofort ins Auge sprangen und die „Wahrheit“ verkündeten, große, betont hässliche Karikaturen, Texte musste man eigentlich nicht lesen, das Feindbild war auf den ersten Blick klar: Es war der ‚ewige Jude‘.
In späteren Jahren war das Feindbild, diesmal in den ostdeutschen Medien, ebenso klar definiert, es waren die Amerikaner und ihre Handlanger, die „Bonner Ultras“.
Amerikanische Präsidenten wurden herabgewürdigt, ich erinnere mich noch gut an die klassischen Feindbilder in Gestalt von Dwight D. Eisenhower oder später von Ronald Reagan. Sie waren die Inkarnation des Bösen schlechthin, man musste als Ostdeutscher ganz einfach gegen sie sein.
Über lange Jahre gut indoktriniert, hätte kein noch so abgeklapperter ostdeutscher Hund von diesen Herren auch nur einen abgenagten Knochen angenommen, lieber wären sie auf offener Straße, aber mit hoch erhobenem Haupt vor dem Klassenfeind verhungert.
Westdeutsche Politiker, etwa Konrad Adenauer oder Ludwig Erhard waren in ostdeutschen Medien durchgängig als negativ konnotierte Karikaturen präsent, die sich in der Verächtlichmachung der Dargestellten vom ‚Stürmer‘ nicht wesentlich unterschieden. Erich Ollenhauer und Kurt Schumacher waren die Inkarnation des Bösen unter dem verbergenden Mantel der Sozialdemokratie, der man schon a priori nicht über den Weg trauen konnte.
Und wieder glaubten es die Menschen, auch ich in jungen Jahren.
Von allen Seiten war das jeweilige Feindbild meist klar, fast immer wurde es außerhalb der eigenen sozialen Gruppe verordet, es galt die eigene Gruppe, zumindest ideel zusammen zu halten, dann konnte man von einer relativen Sicherheit ausgehen. Dazu brauchte es stets eines – möglichst – äußeren Feindes.
Man schiss gefälligst nicht ins eigene Nest!
Wer dies dennoch tat, war außen vor und wurde mehr oder weniger ausgegrenzt. Hinter ihm schlossen sich ganz schnell, wie unter anderem im Horst-Wessel-Lied der Nazis besungen „die Reihen wieder fest“.
Dies war im Osten so und auch im Westen Deutschlands gab es Zeiten, da konnte man als bekennender Linker nicht einmal beamteter Briefträger werden, „da man nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ stand.
Nun haben sich zwar die Zeiten kalendarisch geändert, die Funktion der Medien ist gleich geblieben, lediglich die Begrifflichkeiten haben sich – der neuen Zeit – angepasst.
Die Medien sind und waren überwiegend Claqueure der ‚herrschenden Meinung‘, die sie gern zur Mehrheitsmeinung und damit der Einfachheit halber zur Wahrheit erklären.
Ab und zu ändert sich lediglich das jeweilige Feindbild, aktuell ist es der ‚alte weisse Mann‘, der die Rechtgläubigen schier zur Verzweiflung treibt. Die Rechtgläubigen sind die, die wie Oma Anna selig, der Philosophie anhängen:
Es muss doch stimmen, so hat es in der Zeitung gestanden.
Zur Erklärung, die alten weissen Männer und Frauen, dass sind die, die in den vergangenen Jahrzehnten mit ihrer Arbeit die materielle Basis gelegt haben für den gesellschaftlichen Wohlstand, von dem in unserem Land fast jeder – vom Millionär bis zum Leistungsbezieher – gern profitiert.
Nun ergab es sich, dass es fast zu allen Zeiten, hier muss die Zeit des regierenden Nationalsozialismus ausgeklammert werden, trotzdem diese oder jene mediale Stimme gab, die mehr oder weniger vorsichtig und offen wider den Stachel löckte.
Lange Zeit war dies in dieser, unserer Republik in meinen Augen die taz. Zumindest bis 2015 hob sie sich zuweilen wohltuend vom medialen Einheitsbrei ab, weshalb zumindest die Wochenendausgabe regelmäßig bei uns Eingang fand.
Ich befürchte, damit ist es jetzt vorbei, denn die taz hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.
In der Wochenendausgabe findet sich die Kolumne einer jungen Redakteurin namens Johanna Roth, die sich „Redakteurin Meinung“ tituliert.
Mit Verlaub, diese Frau hat, wie ich dringend vermute, absolut einen an der Klatsche! Entweder hat ihr die Hitze der letzten Tage zugesetzt, der menschengemachte Klimawandel knappert an ihrem Verstand, man hat sie als Kind zu heiß gebadet oder vielleicht hat sie die Großmutter versehentlich statt mit Penaten mit dem Klammersack bearbeitet? Einen Grund für ihren Zustand muss es geben!
http://www.taz.de/Kolumne-Der-rote-Faden/!5597166/
Sie macht ihre Kolumne auf mit dem Titel:
Rentner, gebt das Wahlrecht ab!
Und den Führerschein gleich mit. Denn für beides gilt: Die Alten gefährden die Jungen. Was wir brauchen, ist eine Epistokratie der Jugend.
Für die Nicht-so-Wissenden eine kleine Erklärung:
Epistokratie meint die Herrschaft der Wissenden, d.h. nach Meinung der taz verkörpert in unserer Gesellschaft allein die Jugend die ‚Wissenden‘, alle anderen speziell die Alten, sind unfähig.
Ich habe selten oder wahrscheinlich in den letzten 60 Jahren noch nie einen dämlicheren und ältere Menschen verachtenderen Beitrag gelesen, als diesen von Frau Roth, arrogant, einfach blöd.
Aber lest selbst, der Link ist aktuell.
Was Frau Roth und der taz noch fehlt sind deftige Karikaturen über ältere Menschen in unserer Gesellschaft, wahrscheinlich wird es nicht mehr lange dauern, dann hat man in den Archiven genügend Vorlagen des ‚Stürmers“ dazu ausgewertet, der Ductus von Frau Roth jedenfalls passt schon.
Ich sehe die Karikaturen schon vor meinem geistigen Auge, falls Bedarf besteht, fertige ich der taz gern Vorlagen.
PS: Ach so, die taz verliert natürlich unser Abo. Ich würde als Nicht-Wissender die epistokrate Frau Roth sowieso nicht verstehen und lernen kann ich von ihr auch nichts, denn Dummheit kann man nicht lernen, die hat man oder man hat sie eben nicht.