Eine einfache Strasse …

Eine einfache, kleine Straße im früheren thüringisch-hessischen Grenzgebiet. Entstanden ist sie wahrscheinlich nicht aus geographischer Notwendigkeit, sondern als Folge der deutschen Teilung in den 50 Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Grenze verlief in diesem Bereich in häufig wechselnden Richtungen, sodass einzelne Orte auf den gewachsenen Straßen nicht mehr zu erreichen waren. Schnell wurden neue Straßen gebaut, Eisenbahnlinien umgestaltet, einige Regionen mußten von Osten her neu erschlossen werden, da sie sich historisch eher nach Hessen orientiert hatten.

So ist, nach Erzählung alter Eingeborener, auch unsere Straße entstanden. Ich verlasse mich dabei auf die Berichte der schon länger hier Lebenden, bin ich doch selbst erst vor 25 Jahren in diese Gegend gezogen und nach wie vor ein Fremder. 

Diese kleine Straße führt also in unser Dorf, die Einwohnerzahl wird nach offizieller Statistik mit 388 angegeben, nachgezählt habe ich es nicht. Ich verlasse mich auf die Statistik. 

Offizielle Statistiken sind übrigens toll. 

Unserem Ort wird im Bezug auf den Thüringendurchschnitt ein besonders hohes Verkehrsunfallaufkommen zugeschrieben, dabei mit einem hohen Anteil an Personenschäden. Ich höre schon die Frage, wie man sich als halbwegs verantwortungsvoller Mensch in einem solchen Ort niederlassen kann. Kinder, Enkel und Urenkel sind über Generationen nicht nur durch Lehrer und Erzieher, durch Borreliose, Laktoseintoleranz, Weizenunverträglichkeit und multiple Allergien gefährdet, sondern zu allem Unglück auch noch durch Verkehrsrowdys.
Betrachtet man die Statistik genauer legt sich die Angst schnell wieder. Auf unserer Durchgangsstraße wurde im Jahresmittel 1 Unfall registriert, dummerweise mit einem Verletzten, also Entwarnung. Es bleibt die schicksalhafte Gefährdung durch Lehrer und Erzieher, durch Borreliose, Laktoseintoleranz, Weizenunverträglichkeit und multiple Allergien. 

Auf unserem Grundstück haben wir bei unserer Ankunft mehrere Bäume gepflanzt, die heute sehr groß und insgesamt mit stattlichen Maßen ausgerüstet sind. Ein Kirschbaum, ein Nussbaum, eine Pflaume und ein Ginkgo. 

Der Ginkgo war ein Geschenk, erhalten nach einem Vortrag für eine Selbsthilfegruppe, damals ein spillriger Stecken in einem kleinen Topf mit 2 Blättern. Heute, rund 20 Jahre später ist er zwar noch kein Riese, aber doch ein stattlicher Baum mit rund 3 Meter Höhe. Wer weiß, wie langsam in unseren Breiten ein Ginkgo wächst, wird bestätigen, dass dies schon ein beachtlicher Erfolgt ist.

Der Stammdurchmesser der Kirsche liegt bei über einem halben Meter, die Pflaume hat die Endhöhe von ca. 7 Metern erreicht, unter der Krone der Walnuss findet problemlos eine größere Sitzgruppe Raum und Schatten.
Die letzte Errungenschaft, ein Amerikanischer Tulpenbaum, eine Magnolienform, steht erst kurze Zeit, wirkt mit seinen rund 2 Metern Höhe und dem zarten Stamm dagegen noch sehr jugendlich. Er muss mit seinem biegsamen und empfindlichen Stamm geschützt werden und der Durchmesser der vier stützenden Stangen um ihn herum ist größer als seine Stammdicke. Ich lese, dass es 8 bis 10 Jahre dauern soll bis er die ersten seiner phantastischen gelben Blüten trägt. Das hoffe ich noch zu erleben. Seine maximale Wuchshöhe wird mit rund 4o Metern angegeben, das werde ich nicht mehr sehen können, er wird mich überdauern, sofern ihn nicht beim nächsten Gewitter der Blitz fällt. Ich ertappe mich dabei, dass ich dies nicht traurig finden würde, obwohl mir der Baum in seiner urwüchsigen Form hohen Respekt abnötigt.

Es ist schon eine interessante Konstellation. Ich habe Bäume gesetzt, die Bäume leben ihr Leben, wahrscheinlich werden sie länger leben als ich, aber ich gehöre in unserem Dorf nach wie vor zu den Fremden, zu den Zugereisten. Die Bäume haben Wurzeln geschlagen.

Das Schicksal teilen wir allerdings mit einigen Anderen im Dorf, mit Familien, die unmittelbar nach dem letzten Krieg als Vertriebene oder Flüchtlinge ins Dorf gekommen waren. Die sind auch nach wie vor die Fremden, wobei von Fremden wird bei denen nicht mehr gesprochen, sie sind aber heute noch oder wieder die Flüchtlingsfamilien.

Wahrscheinlich waren sie nach dem Krieg auf der Flucht auf der damals nur provisorisch befestigten Straße, eher einem Feldweg, ins Dorf gekommen. Jetzt ist es eine einfache, schmale Straße.

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