Mein erstes eigenes Auto war in den siebziger Jahren des letzten Jahrtausends ein P 70, ein Auto aus den fünfziger Jahren, in geringer Stückzahl gebaut. Aber da sich sowieso kaum jemand zu dieser Zeit ein Auto leisten konnte, hatte es für die größte aller DDR’n wohl gereicht.
Den P70 wird kaum noch jemand kennen. Ein Fahrzeug aus DDR Produktion, das P steht für Personenkraftwagen, die 70 weist auf gewaltige 700 Kubik Hubraum des 2-Zylinder-Motors hin, aus dem die Ingenieure kraftvolle 22 PS gezaubert hatten.
Wir nannten die Ausführung als Coupe unser eigen, einen Zweitüren mit flach abfallender Heckscheibe.

Der P 70, heute belächelt, war trotzdem mit absoluten (Welt-)Neuheiten gesegnet.
Nicht sichtbar war unter der Karosse die Dynastartanlage, Lichtmaschine und Anlasser als ein Teil, also mit der Lichtmaschine war der Motor auch zu starten. Im Vergleich zu anderen Autos dieser Zeit sprang das Ding auch im frostigen Winter immer an.
Das eigentliche Highlight war allerdings die Kunststoffkarosserie, damals wirklich weltweit fast einmalig.
Der Schwachpunkt des Autos war allerdings der Karosserierahmen, der aus Holz, richtigem, noch dazu z.T. kaum behandelten Holz gefertigt war. Und Holz, Wind und Wetter, nasse Straßen, Regen, Schnee und Matsch – eine tödliche Kombination. Ungepflegt faulte die Karosserie in wenigen Jahren schlicht und einfach durch. Die Festigkeit der Schweller, ein Balken 10×10 cm prüfte man, indem man selbst von unten einen Schraubenzieher in das Holz rammte. Drang er ein, musste man zum Schreiner.
Also, sowohl der Vorbesitzer, als auch ich hegten und pflegten das Ding, vor allem das Holz und so hatte er Mitte der 70 schon fast 20 Jahre überstanden.
Jedenfalls trug er mich über mehrere Jahre täglich rund 40 Kilometer von meinem Wohnort nach Jena, meinem damaligen Arbeitsort.
Als junger Arzt hatte ich das Glück meine Ausbildung an der Universitätsklinik zu bekommen, eine richtige Ausbildung, ohne Computer, ohne iPad, ohne Laptop, die wirklich wichtigen Dinge wurden mit Kreide an die große Wandtafel im Hörsaal geschrieben. Demonstrationen erfolgten unmittelbar am Patienten, ansonsten wurden Diapositive mit Hilfe einer riesengroßen Apparatur an die Wand projiziert.
Wir lernten noch Medizin für die Sinne, zu hören, zu sehen, zu fühlen, den Betroffenen in die Augen zu sehen, zu erfassen, zu deuten, zu abstrahieren und daraus unsere Diagnosen zu entwickeln.
Für die jungen Kollegen: ein Medizinerleben ohne Powerpoint ist möglich. Aber, das wäre ein extra Beitrag.
Der Beruf nimmt keine Rücksicht auf Sonn- und Feiertage, auf Freizeit, Tageszeiten. In der Regel ist man Arzt über 24 Stunden täglich, über 365 Tage des Jahres.
Wurden wir etwa zum Wochenenddienst in der Klinik eingeteilt, hatten wir nicht selten am Freitagmorgen gegen 8.00 Uhr zu erscheinen und gingen am Montag gegen 16.30 wieder durch das Tor nach draußen. Heute unvorstellbar, die meisten jungen Kollegen wären in kurzer Zeit schier des Todes.
An einem Freitagmorgen gelang es mir in einer Seitenstraße, dem Ziegelmühlenweg relativ kliniknah, einen Parkplatz zu ergattern. Einen richtigen Parkplatz, gepflastert oder gar mit Bitumen belegt, mit weißen Linien und so gab es nicht. Als ich Montagabend gegen 18.00 Uhr meinen P70 wieder holen wollte, hatte man die Straße aufgerissen und ca. 25 cm tief ausgebaggert. Mein armes Wägelchen stand mittendrin auf einer Insel, um eben diese 25 Zentimeter erhöht.
Hätte ich nun damals einen modernen SUV gehabt, wäre ich wahrscheinlich auch nicht ohne Schaden aus eigener Kraft und fahrend von dem hohen Standplatz weggekommen. Auch mit dem P70 – keine Chance.
Aber, ungefähr 100 Meter weiter war meine Stammkneipe, eine Lokalrunde Bier – 10 Glas à 40 Pfennige – und 5 Mann plus der zu dieser Zeit noch nüchterne Kellner hoben meinen ‚Wagen‘ auf zwei Bohlen und vom Sockel, trugen ihn zur Seite und setzten ihn vielleicht 10 Meter weiter auf den befahrbaren Bürgersteig.
Das mache mir mal heute einer mit dem Porsche Cayenne nach, unmöglich. Selbst das Bier für 40 Pfennige gibt es in der Kneipe nicht mehr…
Leider konnte ich irgendwann die Holzteile nicht mehr retten, er knickte praktisch in der Mitte durch. Die Reste verkaufte ich als Ersatzteile und erzielte damit fast den Preis, den ich einige Jahre vorher für das intakte Auto bezahlt hatte.