Alles Schweigen oder was … ?

Das selektive Schweigen der Medien

Täglich werden wir überschwemmt von Nachrichten, Neuigkeiten, Ereignissen, die uns – theoretisch – in die Lage versetzen sollen, uns umfassend zu informieren und darauf aufbauend unsere individuellen Entscheidungen zu treffen. Die Informationsquellen sind vielfältig, die ÖR, laut Rundfunkstaatsvertrag, jetzt die Neufassung als Medien-Staatsvertrag in der Pipeline, pro forma zur Neutralität verpflichtet, private Rundfunk- und Fernsehsender, Printmedien und nicht zu vergessen der ganze Komplex, neudeutsch als „Social media“ bezeichnet.

Ich erinnere mich an Anfang der 90er, für uns Ostdeutsche hatte sich der „westliche“ Medienmarkt gerade geöffnet. Es gab noch eine gewisse Meinungsvielfalt. Bei den ÖR dominierte in der ARD die SPD, damals die „Roten“, im ZDF hatten die „Schwarzen“ das Sagen.

Der „Spiegel“ mischte zuweilen Politik und Medienwelt auf und die großen Tageszeitungen hatten ihr unterschiedliches Portfolio und man wusste so ziemlich genau ‚wer wohin gehörte‘.

Für uns Ostdeutsche war das neu, hatten wir doch – wie im Schlaraffenland – im süßen Einheitsbrei der Medien gebadet. Alle Zeitungen brachten bis auf den Lokalteil und die Todesanzeigen das Gleiche, die Bezirkszeitungen verkürzten zu den „zentralen oder zumindest überregionalen Fragen“ die Vorgaben des „Neuen Deutschland“, wenn man so will „betreutes Zeitungslesen für nicht so fleißige und weniger interessierte Menschen“.

Zugegeben, es war nicht einfach sich an den westlichen „Medienmarkt“ oder auch Meinungsmarkt zu gewöhnen, ertappte ich mich doch immer wieder dabei, dass ich die Informationsquellen präferierte, die meinen persönlichen Erwartungen und subjektiven Interpretationen am nächsten kamen. Es war schlichtweg mühsamer als zu Ostzeiten.

Zum Glück habe ich mir damit nicht so ganz viel Mühe abverlangt, hat sich das Bild doch inzwischen wieder grundlegend „zum Guten“ gedreht. Die deutschen Medien wandeln in 2020 unisono im süßen Einheitsbrei, der einzige Unterschied besteht darin, ob sie den Kopf noch oberhalb oder schon unterhalb des Brei’s halten. Es gibt Medien, die nach außen noch darauf achten, dass der Brei noch unterhalb der Oberkante Unterlippe bleibt, andere geniessen die süße Versuchung bereits in großen Schlucken.

Als DDR-Bürger haben wir darüber gelacht, wenn „die Partei“ angesichts leerer Geschäfte davon konfabulierte, dass sie den gesellschaftlichen Fortschritt vertreten würde. Ich gestehe, auch ich gehörte zu den gedanklich Abtrünnigen. Es ist an der Zeit den alten Genossen Abbitte zu leisten, zumindest in der Medienwelt hat sich diese – gewagte und belachte – Voraussage bereits unverkennbar materialisiert.

Was war eigentlich mein Aufhänger? Laut Überschrift das „selektive Schweigen“ der Medien.

Heute findet in Hanau erneut eine große Trauerfeier für die Opfer des psychotischen Attentäters vom 19. Februar statt, wieder wird die gesamten Politprominenz anwesend sein. Das mag richtig sein.

Über die Opfer des Attentäters von Volkmarsen am Rosenmontag dagegen wird nicht mehr oder nur beiläufig berichtet. Das Verhalten von Politik und Medien ähnelt frappierend dem „Eisernen Schweigen“ nach dem Weihnachtsmarkt-Massaker von Anis Amri, welches bis heute nicht endgültig aufgeklärt ist.

Was ist der Grund? Selektive Information?

Nehmen wir die Politik. Wenn die AfD in ihrer unübersehbaren Dummheit wieder einmal einen „großen politischen Korken“ im Sinne einer gesellschaftlichen Provokation steigen lässt, stürzt sich die gesamte Medienwelt darauf. Klaus Kleber versucht sich mit sorgenvoll gefurchter Stirn im staatstragenden Ductus, eine Sondersendung jagt die nächste, alle Printmedien bringen fast deckungsgleiche Texte, letztendlich verrichten sie, „wild mit dem Stilett der Wahrheit fuchtelnd“, den Job der AfD.

Wenn dagegen den Kumpels von der LINKE die Pferde im Galopp durchgehen und sie Dinge aussprechen, die sie sonst ausschließlich denken, wird nur darüber berichtet, wenn der „Social-media-Druck“ zu groß wird. Was ja an sich schon ein gutes Ergebnis ist. Siehe mein Beitrag von gestern: „Der Strategiekongress der LINKEN in Kassel“. Und wenn sie getrieben, Stunden später doch noch „ihre Stimme erheben“, dann mit einem schelmischen Gesichtsausdruck und unter dem Motto: „War doch alles nicht so gemeint, die Jungs und Mädels wollten doch nur spielen …,“.

Nein, selbst als ‚gedanklich Linker‘, der seinen Lebensunterhalt trotzdem lebenslang aus eigener Arbeit bestritten hat, will ich nicht – auch nicht virtuell – mit dem Gulag bedroht werden.

Was ist der Grund des klirrenden Schweigens der Medien? Selektive Information? Und mit welchem Ziel?

Und wenn ich es für mich auf den Punkt bringen will:

Ich finde mich in dieser selektiven, erzieherischen und sich hemmungslos der „Mehrheitsmeinung“ andienenden Medienwelt nicht mehr wieder. Eine der Realität nachhinkende Medienwelt brauche ich nicht.

3 Kommentare zu „Alles Schweigen oder was … ?

  1. Du schreibst mir direkt aus der Seele.

    Früher gab es in der Presse noch unterschiedliche Berichterstattungen – heute scheint alles gleichgeschaltet.

    Ich habe mal ein paar Module einer Journalistenschule erarbeitet. Da wurde einem etwas von der Arbeit eines Journalisten beigebracht. Von wegen der unterschiedlichen Standpunkte, die man auch berücksichtigen und darstellen sollte, um so, am Ende ein Bild zu erzeugen, aus dem jeder eine eigene Meinung bilden kann…

    Diese Form des Journalismus vermisse ich.

    Es sieht so aus, als wolle man uns alle gleichschalten – im Handeln und auch im Denken. Dann ließen wir uns ja auch besser steuern und kontrollieren…

    Nun könnte man von „Schwarzmalerei“ sprechen – doch ich halte eine gewisse Infragestellung dessen, was passiert, durchaus vonnöten und auch gut.

    Nicht alles hinnehmen, was uns, anscheinend, mundgerecht, auf einem Tablett serviert wird, auch wenn es noch so schmackhaft wirkt…

    Gefällt 3 Personen

  2. Ist doch klarer Auftrag: Hanau, Corona, Thüringen – das gibt in der Bevölkerung Akzeptanz, wenn bürgerliche Grundrechte eingeschränkt werden. Die Goebbels-Steuer macht’s möglich weil ja die Printmedien nicht mehr so hohe Verkaufszahlen erzielen…

    Gefällt 2 Personen

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