Die Gesichtslosen …

Der Durchgang unter dem Bahnhof einer deutschen Großstadt, irgendwo im Westen oder im Osten? Im Süden kann er genauso sein, wie im Norden. Nehmen wir an, es wäre eine Stadt in NRW.

Der Taxifahrer hat mich am Hintereingang abgesetzt, „da ist es näher zum ICE-Bahnsteig und sie begegnen nicht so vielen Gestalten“. Er macht die Geste als lege er sich ein Kopftuch um, lacht dabei, das Lachen klingt gepresst, eher aggressiv als freudig, es passt so richtig nicht.

Er hatte auf der kurzen Fahrt einige Worte über Deutschlands Osten verloren. Ja, er ist schon einmal dort gewesen, auch in Thüringen, auf einer Fahrt nach Bad Harzburg. Ich verzichte darauf ihm zu erklären, dass er von Niedersachsen und ich von Thüringen spreche, es hätte ihn wohl auch nicht interessiert.

„Na, wie ist es denn jetzt so bei Euch im Osten…. ?“ Interessiert klingt es nicht, eher so als überlege er, ob er noch irgendwo im Auto eine angebissenen Frühstücksstulle liegen hat, die er, bevor er sie wieder mit nach Hause nimmt und damit den Zorn seiner Frau auf sich zieht, besser mir gönnerhaft übereignen kann.

„Ach, mir geht es gut“, hören will er das nicht. „Man hört doch jetzt immer von den Rechten bei Euch und der Unzufriedenheit, dabei bekommt ihr doch im Osten alles…“.

Ich lasse ihn reden. „Was machst Du denn so….?“ Meine Kleidung: Jeans, schwarzes T-Shirt, Lodenjacke, schwarze Barfussschuhe lassen wohl keine eindeutige Zuordnung zu.

„Ich bin Arzt,“, kurzes Schweigen, „bei Euch im Osten?“, „Ja, in Thüringen…“.

„Da kriegt ihr ja auch alles… „.

Es reicht mir: „Ich war noch nicht einen einzigen Tag meines Lebens arbeitslos und krankgeschrieben so gut wie nie, ich arbeite voll und bezahle Steuern und Beiträge“.

Er winkt ab, „na, und …?“ Ja, na und?

Als er nach ein paar hundert Meter wieder den Gönnerhaften heraushängen lassen will, bringe ich mein Totschlag-Argument.

Nein, ich benenne ihn weder als Rechten, noch als Nazi. Ich beschimpfe ihn auch nicht wegen seiner Benzinkutsche, die in unzulässiger Weise meine CO2-Fussabdruck konterkariert. Nein, all dies nicht, ich sage lediglich: ‚Bei uns im Osten sind die Straßen aber wirklich besser als hier.‘

Schon ist die Konversation zu Ende und die Miene verschließt sich zum drohenden Wolkenbruch.

Der Fahrpreis ist üppig, ich verkneife mir nicht, ihm demonstrativ ein gutes Trinkgeld zu geben. Einen Zahlungsbeleg bekomme ich nicht, ob das wohl für das Finanzamt in Ordnung ist?

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