Die Zeiten ändern sich …

Die Zeiten ändern sich und zwar ganz rasant, selbst bei uns auf dem Dorf Wohnenden, auch wenn die eingebildeten urbanen Eliten glauben, sie hätten uns die Kultur erst noch beizubringen.

Sofern es seine oder meine Zeit zulassen, drehe ich manchmal fast täglich mit unserem jüngsten Enkel, jetzt 6 Jahre, eine Runde auf dem Fahrrad. Von der Entfernung so zwischen 6 und 25 Kilometer, was für einen so kleinen Kerl schon beachtlich ist.

Wir leben in einer guten und ruhigen Umgebung, hier bremst man noch für Katzen und erst recht für Radfahrer, man grüsst jeden, dem man begegnet und nicht selten kommt es sogar zum „Schnabbeln“, ein Begriff der wohl sehr regional ist und meint: Man unterhält sich ganz ungezwungen und „ohne Grund“.

Das Schwierigste an der Radtour mit Liam ist nicht die Fahrt selbst, sondern die Vorbereitung.

Da wird die Temperatur gecheckt, notfalls das „händische Gefühl“ noch einmal per App überprüft, es wird streng darauf geachtet, dass „der arme Kleine“, den ich „bei Wind und Wetter nach draußen zerre“, auch ja adäquat vor den Unbilden der Natur geschützt ist. Jetzt in dieser Jahreszeit sind Helm, Kapuze, zwei bis drei Jacken übereinander, Schal usw. usw. obligat. Inzwischen habe ich jeglichen Widerstand gegen die Überbesorgnis aufgegeben, ich habe keine Chance dagegen.

Das wichtigste, ja essentielle Utensil beim Radfahren sind für mich einzig und allein gute Handschuhe … Nun ja.

Jetzt habe ich zufällig ein Foto in die Hand bekommen, aufgenommen Anfang der 60er, welches die Klasse meines Nachbarn Hans beim damaligen Sportunterricht zeigt.

Das Ganze fand auf einer öffentlichen Ortsverbindungsstraße statt, zwar im damaligen Grenzgebiet und wenig befahren, aber immerhin.

Soweit sich Hans erinnert, kam bei dieser „beispiellos leichtsinnigen“ Aktion gar niemand zu Schaden, unvorstellbar. Die meisten der auf dem Bild zu sehenden Kinder leben sogar heute noch!

Sportunterricht auf der öffentlichen Straße in Gospenroda Anfang der 60er mit Lehrer Höhne.

Man stelle sich die gleiche Aktivität heute vor oder es träte der absolute Super-Gau ein, ein Kind würde stürzen und sich gar die Schotterflechte holen, Herr im Himmel.

Ich vermute, spätestens morgen lägen die ersten Anzeigen besorgter Mütter gegen Lehrer Höhne, den Schulleiter und das Schulamt vor. Wenn der Kultusminister aus dem bodenlosen Skandal unbeschadet hervorginge, könnte er von Glück sprechen, verdient hätte er es nicht.

Spätesten übermorgen wären alle unverantwortlichen Verantwortlichen des Amtes enthoben und die siegreichen Mütter würden sich nach unvergleichlich hartem Kampf die nicht vorhandenen imaginären Wunden lecken und sich gegenseitig im Siegestaumel auf die, von der Last der Verantwortung bereits wunden Schultern klopfen.

Übrigens, Liam und ich, nehme die Hinweise „ja vorsichtig zu sein“ vor jeder Fahrt inzwischen stoisch entgegen, wir nicken dazu, denken uns unser Teil und sobald wir außer Sicht sind, wird „Marscherleichterung“ ausgerufen.

Ich habe das Gefühl, er ist glücklich dabei, wenn ihm der Fahrtwind um die Nase weht. Und was gäbe es Wichtigeres?

Ein geiles Teil ….

Aber, die Zeiten ändern sich eben.

3 Kommentare zu „Die Zeiten ändern sich …

  1. Wie recht Du hast. Lediglich die Sache mit dem Helm: Schon 1958 bei meiner Teilnahme „Rund um die Wartburg“ war der Pflicht. Bei Rennfahrern. Aber auch bei Hobbyfahrern ist der Kopf nicht strapazierfähiger. Ich setze ihn heute noch auf. Obwohl ich nur noch halb so schnell bin. Auf sturzfreies Radeln, Gruß Jürgen

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  2. Natürlich ist der Helm schon gut, aber ehrlich ich besitze nicht mal selbigen. „Rund um die Wartburg“, wo bist Du ausgewachsen? Bis zur Wartburg haben wir ca. 35 Kilometer, bis zur Brandenburg ca. 15 km. lg. Rainer

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  3. Es war glaube ich, doch zwei Jahre später. Da waren die Spirtbeziehungen „angenähert“ und für uns Hessen war es trotzdem der erste „Auslandsstart“. Und dann in einem Land, wo die Leute deutsch sprachen..

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