Alles Transformation oder was … ?

„Man wird es ja doch mal sagen dürfen, ….“.

Unsere ewige Kanzlerin hat ein neues Hobby, die große Transformation.

Gestern Abend habe ich, eher zufällig, einen Blick in die ARD, zu „Anne Will“ geworfen. Zugegeben, lange habe ich den Dummsinn nicht ertragen und lieber gelesen.

Dort debattierten – wie meist – sechs Wessi’s die meiste Zeit über die „unmöglichen“ Verhältnisse im Osten, speziell in Thüringen und es wurde wieder einmal der Untergang des Abendlandes, der EU, der Welt und des Universums an die ansonsten makellos weißen Wände des Westens skizziert.

Ein Blick zurück …

Als 1989 in Berlin die Mauer fiel, die Grenzbefestigungen Stück für Stück geöffnet wurden und Millionen von Menschen mit ‚Trabi‘ und ‚Wartburg‘ von Ost nach West und tausende Glücksritter mit dem geleasten ‚Benz‘ von West nach Ost fuhren, hatten viele Menschen das Gefühl, dass plötzlich die Luft freier, das Gras grüner, der Himmel blauer sei.

Über Nacht schien alles möglich, für viele Ostdeutsche waren die D-Mark und das freie Reisen die Attribute eines besseren Lebens. Nicht so euphorische Stimmen, die auf die zu erwartenden negativen Seiten des Systemwechsels hinwiesen, wurden verlacht, als „ewig Gestrige“ klassifiziert, auf der Straße niedergeschrien und in der Presse – unisono Ost wie West – herunter geschrieben. Der Begriff des „alten weissen Mannes“ spielte vor 30 Jahren noch keine Rolle, es gab genug andere Buhmänner.

Für die unter Euch, die Zeit nicht aktiv miterlebt haben: Die Akteure der friedlichen Revolution im Osten hatten nicht den bedingungslosen Anschluss im Auge, sondern die langsame Annäherung einer zuvor zu verbessernden / stabilisierten DDR in Richtung Europa.

Das wir damit einer Fiktion erlegen waren, weil wir a) nicht mit der schnellen und rücksichtslosen Aktivität des Westens in Richtung einer Einverleibung und b) nicht mit der – mit Verlaub – Dummheit der Menschen im Osten gerechnet hatten, zeigte sich sehr schnell.

Es kam wie es kam und mit der letztendlich trotz aller Beteuerungen (feindlichen) Übernahme waren Millionen von Menschen im Osten zwar sozial grenzwertig abgesichert, aber ihres eigentlichen Lebensinhaltes einer Arbeit, die ihnen soziale Selbstbestimmung garantierte, im wahrsten Sinne des Wortes beraubt.

Ich behaupte für mehr als die Hälfte der Ostdeutschen war mit dem Systemwechsel das ‚alte‘ Leben über Nacht in toto weggebrochen und das ’neue‘ Leben im Wesentlichen auf die „Gnade“ der neuen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger gegründet.

Während in den gebrauchten Bundesländern das Leben weiter ging, wie eh und je, gab es im Osten eine totale Transformation der Gesellschaft, einen absoluten Bruch der Biographien, der nicht wenige Menschen mangels Erfahrung und vielleicht auch mangels Ressourcen nicht gewachsen waren.

Für die, die den Prozess aus eigener Kraft schafften, ging und geht bis heute die Belastung nicht selten über die individuellen Belastungsgrenzen hinaus. Jammern höre ich aus diesem Teil der Gesellschaft kaum jemand, im Gegenteil.

Die, die davon reden „am System einmal richtig rütteln zu wollen“, die auf „Staat und Regierung“ schimpfen, die „die Bullenschweine auf der Straße klatschen“, die sich darüber erregen, wie sie beim Bezug der Transferleistungen „vom Amt gegängelt und schikaniert“ werden, sind in der Regel nicht die, die gleichzeitig die Leistungsträger der Ost-Gesellschaft verkörpern.

Aus dem Teil der Ostdeutschen, denen die Transformation aus eigener Kraft gelang, die sich nach der zerfallenen „sozialistischen“ nun eine „bürgerliche“ Existenz aufbauen konnten, sehen wir nicht wenige, die diese Kraftanstrengung über Jahre und inzwischen Jahrzehnte mit ihrer Gesundheit bezahlt haben. Wobei nach wie vor die gewachsene „bürgerliche Existenz“ im Westen, in ihrer Stabilität nicht mit der mühsam im Osten erworbenen zu vergleichen ist.

Ich verstehe und halte es persönlich genauso, dass im Osten die Menschen, die 1989 vielleicht als 40 oder 50 Jährige de facto wieder bei Null begannen, an dem, was sie sich selbst erarbeitet haben, festhalten. Und ich verstehe, dass wahrscheinlich keiner aus diesen Generationen analog westdeutschen und Berliner Hipstern nach dem „von erhabenem Gefühl getragenen Erlebnis“ der von der Kanzlerin neuerdings ausgerufenen „großen Transformation“ giert.

Wir im Osten haben eine „große Transformation“ schon hinter uns. Das reicht uns für ein ganzes Leben, nochmals brauchen wir diesen Scheiss – dazu diesmal ohne jede Not – nicht.

Und wenn ich damit ein „alter weisser Mann“ bin, dann ist es eben so. Ich nehme es als positives Attribut, hat es mir doch erlaubt, mein ganzes Leben ohne einen einzigen Tag Transferleistungen immer selbstbestimmt zu gestalten. Auch wenn ich oft, die Grenzen meiner individuellen Belastbarkeit erreicht und überschritten habe.

Das wird man ja nochmal sagen dürfen.

12 Kommentare zu „Alles Transformation oder was … ?

  1. Es war unser nun gemeinsamer Staat, der Glücksritter sponsorte und gen Osten schickte. Abgegehalfterte Politiker ( bis auf einen oder zwei) und verkrachte Existenzen konnten, staatlich gesponsort, das schnelle Geld machen und dann verbrannte Erde hinterlassen. Denen ging es nicht um aufbauen (soo edelmuetig sind nur Leute im Märchen), da ging es ums absahnen – steuerbegünstigt.. In meiner Branche haben so mache seriöse Leute den Kopf geschüttelt und sich nicht an dem grossen Boom beteiligt. Deren Firmen sind aber auch heute noch so gesund, wie damals. Die Absahner kamen zurück und haben die Branche gewechselt. Meist in Richtung Immobilien. Aber das Spielchen geht ja im Osten mittlerweile auch los. Da sind ja auch reichlich „Entwickler“ und andere Hasadeure zugange. Üblicherweise mit Fremdgeld und staatlich gefördert. Die Steilvorlage lieferte auch damals unser Staat: Rückgabe vor Entschädigung. Die Wessis, die nun „zurückholten“ waren allerdings in den 50ern, in der BRD nach ihrer Ankunft aus den Osten alle schon reichlicher „entschädigt“, als z.B. meine 3 Mal ausgebombten Eltern. Ich verstehe die Staatsverdrossenheit.

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    1. Danke für Deinen – wohltuenden – Einblick von der anderen Seite des Zaunes.

      Bei uns hier kamen zu 80 % großmäulige, gönnerhaft tuende – wie ich heute sagen würde – „Männer“ an mit Anzügen, an denen schon die Ellenbogen und Knie glänzten, an und gaben den großen Zampano. Nicht zuletzt deshalb erinnert mich die Entwicklung an Anthony Quinn in Federico Fellinis „La Strada“.
      Beste Grüße, R.

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      1. Na, was ihr im Osten für Filme gesehen habt, unglaublich ☀️ Ich hätte aber auch noch erwähnen sollen: Die ersten Ossis, mit denen ich zu tun hatte (Autobranche) kamen mit so viel Bargeld, dass man meinte die hätten es selbst gedruckt. Seltsamerweise kauften auch ganz kurz vor Grenzöffnung überdurchschnittlich viele Westverwandten bei mir mit Auslieferungsdatum: 6 bis 8 Wochen. Ob da der eine oder andere Insiderwissen hatte, fragt man sich heute Jahrelang wurde bei uns „für die armen Brüder und Schwestern in der DDR“ gesammelt und dann kauft ein Nachbar 3 (drei) Eigentumswohnungen und 2 Benz gerademal 3 Wochen nach der Wiedervereinigung. Gab auch zu denken. Was nur beweist: die Menschen sind gut, nur die Leute sind schlecht! In diesem Sinne, eine gute Woche! Jürgen

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  2. Das Ost-Bargeld-Phänomen ist ziemlich einfach zu erklären.

    Bis auf wenige Handwerker und staatlich geduldete Schieber hatte mit Grenzöffnung praktisch niemand nennenswertes Bargeld. Und die paar, die es hatten, hatten es unter dem Kopfkissen, das musste weg, weil diese Leute zumindest vom Hörensagen solche Ausdrücke wie Finanzamt kannten.
    Zum zweiten hatten viele Glücksritter ein gutes Auge für den Wert von Immobilien und Grundstücken, die im Osten mehr Last denn Freude gewesen waren. Also kauften sie z.B. auf dem Rücken der dummen Ossis für’n Appel und’n Ei gegen wenig Bares viel Bau-Erwartungsland. Und die Staatlichen Strukturen waren damals bei weitem nicht so weit, dass sie darauf ein Auge hatten. Ich kenne keinen einzigen Fall, dass beim schnellen Verkauf von Oma’s Wiese irgendwelche Steuern angefallen wären, ich erinnere noch gut: ‚Nur Bares ist Wahres‘.

    Ach so, wenn ihr gesammelt habt, ich habe nicht ein einziges „Westpäktchen“ erhalten, wer hat dann meinen Anteil mit aufgefressen?

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    1. Mit den Westpäckchen war es wie mit den CARE Paketen der Amis. Man hörte davon, gesehen haben zumindestens wir und die Leute in unserer Straße keines. Die landeten eher im, damals schon wieder noblen, Westend unserer Stadt. Und dann erinnere ich mich noch an einige Ärzte und Zahnärzte aus der DDR, denen finanzierte ein Bekannter ihre neuen Praxen (und meine Autos☺️). Die mussten tatsächlich bei uns noch einmal Prüfungen ablegen. Da fiel mir damals schon nichts mehr ein. Wenn die nichts gelernt hätten wäre doch die halbe DDR schon ausgestorben oder so. Also eine Arroganz der Ärztekammern ohnegleichen..

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  3. Hallo Rainer, wenn du jetzt vor mir stündest, ich könnte mich nicht zurückhalten: Ich würde dich echt knuddeln für deinen Artikel, der mir voll aus der Seele spricht.
    Zur Wende war ich in einem „Schnapszahlalter“ angetreten. Anfangs hat es ja noch ganz gut geklappt mit dem Westen und dort arbeiten, aber elf Jahre später war es dann vorbei – dann habe ich weder in meinem studierten Beruf noch in meinem erlernten eine neue Stelle bekommen, weil ich eben schon zu alt war – nach Leistung und Können wurde ja nicht gefragt – allerdings war ich für die meist sehr überheblichen Westchefs auch viel zu aufmüpfig. Und deshalb musste ich leider einige Jahre von Transferleistungen leben, was mich anfangs wirklich krank gemacht hat.
    Genug geknuddelt, ich muss meine erste Mahlzeit einnehmen.
    Und tschüss mit Gruß von Clara

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    1. Liebe Clara, ich verstehe Dich gut, selbst in meinem Beruf hatte ich mehr als genug zu knaupeln. Ich schreibe die Dinge jetzt so im „Klartext“, weil ich das Getue der jungen hippen Wessi’s, die sich hier allenthalben tummeln, sowas von satt habe.

      Übrigens auch der Herr Kemmerich hier in Thüringen: Kam als mittelloser Poststudent nach Thüringen, bekam alles für lau nachgeworfen, lässt seine Mitarbeiter seit Jahren zum Mindestlohn schuften und gibt jetzt den großen Macker.

      Die Klinik, die meine Frau und ich unbeschadet über die Wende gebracht und fit für den WestMarkt gemacht hatten, wurde uns praktisch unter dem Arsch weggezogen und für lau an den Neffen des hochgelobten früheren Bundespräsidenten, an Christian von Weizsäcker …. verschenkt. Und 0.00 Uhr standen wir draußen und fingen im wahrsten Sinne des Wortes bei und mit „Null“ wieder an.

      Ich hatte insofern danach Glück, dass ich in einem Unternehmen anheuern konnte, welches ein alter rheinischer Kaufmann leitete, dessen Wort noch etwas galt. Bei ihm habe ich gelernt, dass es selbst unter Kapitalisten so’ne und so’ne gibt.

      Liebe Grüße, R.

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      1. Sage bloß, das ist der Weizsäcker-Sohn, der jetzt nicht mehr lebt, weil er bei einem Attentat umgekommen ist.
        Ich bin auch überzeugt, dass damals und lange Jahre danach so viel falsch gemacht wurde – dafür reichen drei Menschenleben nicht aus. Da das aber nichts hilft, habe ich immer versucht, wieder auf die Füße zu fallen und komme insgesamt gut über die Runden.
        Mein Sohn ist ja seit einiger Zeit auch „Kleinunternehmer“ – er hat wohl 6 Angestellte. Ich kann wirklich nur hoffen, dass er ein anständiger Arbeitgeber ist – ich hoffe, ich habe ihn gut erzogen.
        Lieben Gruß von mir

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    2. Der Christian war nach meiner Erinnerung ein Neffe des Richard, wobei er mit dem Namen natürlich überall hausieren ging und die damalige provisorische Thüringer Landesregierung erstarrte vor Ehrfurcht…

      Dir alles Gute und lg. R.

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