Alles Demokratie oder was …?

Die Zweite

Ich nenne dieses Spiel eine Posse ohne Rücksicht auf die Befindlichkeit des Bürgers/Wählers.

Mein Beitrag von heute morgen ist formell überholt, aber inhaltlich nach wie vor aktuell.

Herr Kemmerich hat auf Druck seines Parteichefs Lindner seinen bevorstehenden Rücktritt erklärt und Neuwahlen gefordert.

„Berlin“ hat sofort zugestimmt und fordert Neuwahlen. Obwohl, was eigentlich hat „Berlin“ in Thüringen zu fordern?

Zur Erinnerung:

Thüringen hat am 27. Oktober 2019 gewählt. Nach 5 Jahren Rot-Rot-Grün wurde die LINKE vom Wähler mit Zuwächsen als stärkste Fraktion bestimmt. SPD und Grüne verloren dagegen, sodass die Mehrheit der Koalition nicht mehr gegeben war.

Ich sah das Wahlergebnis der LINKE als Vertrauensbeweis der Bürger für die Regierung Ramelow nach einer kompletten Legislatur mit einer ruhigen und unaufgeregten Politik für Thüringen.

Die Regierung Ramelow hatte über die gesamte Legislatur bundesweit einen „guten Stand“, zumindest fiel sie nicht durch größere Fehlleistungen auf.

Nach der Wahl kam es zu einer menschlichen Annäherung zwischen den Parteichefs Ramelow und Mohring und es schien sich eine Form der Zusammenarbeit anzubahnen. Ich bin mir sicher, die Mehrheit der Thüringer hätte dies goutiert. Einige CDU-Mitglieder und die Parteiführung in Berlin erklärten die LINKE und Herrn Ramelow, mit dem sie jahrelang gut zusammengearbeitet hatten, über Nacht zu „Linksextremisten“ und lehnten jede Form der Zusammenarbeit ab.

Damit standen Ramelow und Mohring de facto allein im Regen und wurden von allen Seiten blockiert. Mohring, als guter Parteisoldat, der auch seinen Job nicht verlieren wollte, „spurte bei Fuss“ und suchte nach einer Lösung jenseits der LINKEN. Nach inhaltlichen Gemeinsamkeiten wurde überhaupt nicht gesucht, es ging CDU und FDP ausschließlich „ums Prinzip“ – weg mit RRG.

Ramelow stellte sich, nach vergeblichen Bemühungen eine parlamentarische Mehrheit mit dem Gewicht der LINKEN als stärkste Fraktion zu Stande zu bringen, mit einer neuen Koalition RRG am 5. Februar zur Wiederwahl. Eine parlamentarische Mehrheit konnte er nicht erreichen, sodass es auf eine Minderheitsregierung hinauslief. Ob es klug war, sich im Vertrauen auf die Arithmetik darauf einzulassen, kann ich nicht beurteilen, ich vermute aber, es war nicht vernünftig.

Wie die Parteien ‚rechts von RRG‘ für die Wahl eine Ein-Stimmen-Mehrheit zimmerten, haben wir gestern erlebt. Gewusst hätte ich gern, warum ein Abgeordneter der „Rechten Stimmgruppe“ trotzdem für Ramelow stimmte und sich ein anderer der Stimme enthielt? Die Gründe dürften die Vorgänge erhellen, sie werden wohl nicht bekannt werden.

Nachdem das Kind sehr tief im Brunnen liegt, fordern die Parteien ‚rechts RRG‘ nun plötzlich Neuwahlen.

Warum soll der Wähler wieder zur Urne gehen?

Ich würde es verstehen, wenn es zwischen den ‚Parteien links der AfD‘ und der LINKEN gravierende inhaltliche Diskrepanzen gäbe, die eine Zusammenarbeit generell nicht zulassen. Vor der Wahl habe ich mir – zum ersten Mal in meinem Leben – die mir zugänglichen Wahlprogramme reingezogen, zugegeben eine schlimme Arbeit. Aber ich wollte es eben wissen. Lege ich das Wahlprogramm der LINKEN und der CDU nebeneinander klingen einige Passagen verbal anders. Unüberbrückbare Unterschiede dagegen habe ich – bei Kompromissbereitschaft der Beteiligten – NICHT gefunden. Ich unterstelle, dass es die LINKE ähnlich sah, deshalb wahrscheinlich auch das Gesprächsangebot von Ramelow an Mohring.

Übrigens hat sich als einzige Partei ‚links der AfD‘ die FDP meinen konkreten Fragen zum Wahlprogramm verweigert. Mein Verdacht, sie hatten wahrscheinlich nichts Konkretes?

Die Zusammenarbeit LINKE / CDU wurde demzufolge nicht wegen „unüberbrückbarer inhaltlicher Differenzen“ sondern allein „aus Prinzip“ abgelehnt.

Und nun soll der Bürger so lange zur Wahlurne latschen, bis den Parteien das Ergebnis passt?

Nein! Das ist nicht demokratisch!

Mir ist die Befindlichkeit der „Parteioberen“ von CDU und FDP völlig egal, es kann mich auch nicht interessieren, ob jeder einmal an den politischen Futtertrog will.

Wenn die LINKE unter Ramelow tatsächlich extremistisch wäre, warum hat man dann bisher über eine gesamte Legislatur klaglos mit ihr zusammen gearbeitet? So führt man seine eigenen „Argumente“ ad absurdum.

Meine Erwartung geht dahin, dass endlich ein inhaltlicher Prozess der Regierungsbildung ohne persönliche Ressentiments und ohne ideologische Scheuklappen in Gang gesetzt wird. Erst wenn dieser Prozess inhaltlich gescheitert ist, ist es legitim den Bürger wieder zur Wahlurne zu rufen.

Die Verantwortung dafür tragen die Politiker!

Mein Heimatland Thüringen und die Menschen hier haben dieses Theater nicht verdient.

5 Kommentare zu „Alles Demokratie oder was …?

  1. Es ist sowieso traurig, was aus Thüringen geworden ist: Hermsdorf im Osten ist wohl noch am grausten (war ich letztes Jahr). Einkaufstempel von Eisenach über Erfurt, Jena bis Gera. Geschrumpftes „Jenaer Glas“, „Carl Zeiss“, Nationaltheater Weimar, Theater in Meiningen, Kulturpalast der Maxhütte und und und.
    Gestern hatte ich noch die Festschrift zu GuthsMuths 200. Geburtstag 1959 in der Hand…

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    1. Ich bin mir sicher, wir hätten es besser hinbekommen, als viele zweit- und drittklassige Wessis. Aber wir haben keine Chance bekommen. Die Politik war ganz offen gegen uns.
      Eine Bitte: Kannst Du mir eine Kopie der Festschrift überlassen? Ich würde mich freuen, beste Grüße, Rainer

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      1. Dann werde ich demnächst das Werk mal fotografieren und einscannen (ist doch ein nettes Din-A-4-Buch, leinengebunden mit Goldprägung)

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